Justiz in der Türkei: Spione und andere Bauernopfer

Wegen angeblicher Lauschangriffe auf Regierungspolitiker sind 20 Polizisten festgenommen und angeklagt worden. Ihnen wird auch Dokumentenfälschung vorgeworfen.

Ein vermeintlicher Spion bei der Großrazzia gegen die Polizei. Bild: dpa

ISTANBUL ap | Nach der landesweiten Großrazzia gegen mutmaßliche Regierungsgegner in der Türkei sind 20 Polizisten wegen Spionage angeklagt worden. Sie sollen laut einem Bericht der privaten Nachrichtenagentur Dogan vom Samstag in Haft bleiben, bis ihnen der Prozess gemacht wird.

Bei dem Aufsehen erregenden Ermittlungseinsatz waren mehr als hundert Polizisten wegen angeblicher Lauschangriffe auf Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und andere Regierungsvertreter festgenommen worden.

Medienberichten zufolge wird den Beschuldigten auch Dokumentenfälschung vorgeworfen. Der frühere Leiter der Istanbuler Geheimpolizei, Ali Fuat Yilmazer, muss sich demnach zudem wegen der „Bildung und Führung einer kriminellen Vereinigung“ verantworten.

Dagegen wurden 30 zwischenzeitlich festgenommene Polizisten wieder freigelassen. Nicht nur in ihrem Umfeld wird die Razzia als politisch motivierter Schlag gegen die Bewegung des islamischen Predigers und Erdogan-Rivalen Fethullah Gülen gewertet.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Polizisten vor, seit 2010 unter dem Vorwand einer fingierten Untersuchung Erdogan, mehrere seiner Minister sowie Journalisten und den Geheimdienstchef Hakan Fidan abgehört zu haben. Laut der Justizbehörde wurden über drei Jahre hinweg insgesamt fast 2300 Menschen belauscht.

Zusätzliche Brisanz erhält die Razzia durch die am 10. August anstehende Präsidentenwahl, bei der sich Erdogan ins höchste Staatsamt wählen lassen will. Seine islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) trägt einen Machtkampf mit der Bewegung des im US-Exil lebenden Gülen aus, der landesweit über Millionen Anhänger verfügen soll. Erdogan wirft seinem einstigen Weggefährten ein Komplott zum Sturz der Regierung vor.

Mitte Dezember leitete die Justiz umfassende Korruptionsermittlungen gegen Politiker und Geschäftsleute aus Erdogans Umfeld ein. Daraufhin ließ der Regierungschef tausende Polizisten, Richter und Staatsanwälte zwangsversetzen oder entlassen - darunter auch viele der nun festgenommenen Polizisten.

Als einstige Verbündete hatten Erdogan und Gülen die politische Landschaft der Türkei verändert, die jahrzehntelang von säkularen Regierungen und der mächtigen Armee geprägt worden war. Weil ihm ein Prozess drohte, setzte sich Gülen 1999 in die USA ab. Der Prediger bestreitet, hinter den Korruptionsvorwürfen zu stehen und einen „Parallelstaat“ in der Türkei aufgebaut zu haben.

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