Indiens unruhiger Nordosten: Hungerstreikende soll freikommen

Die indische Menschenrechtsaktivistin Irom Chanu Sharmila muss laut einer Gerichtsentscheidung freigelassen werden. Seit 14 Jahren wird sie zwangsernährt.

Studierende in Guwahati im nordöstlichen Bundesstaat Assam demonstrieren zur Unterstützung der hungerstreikenden Irom Chanu Sharmilas im April 2011. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Gericht im nordöstlichen indischen Bundesstaat Manipur hat am Dienstag die Freilassung der Menschenrechtlerin Irom Chanu Sharmila angeordnet. Dies erklärte ihr Anwalt gegenüber indischen Journalisten.

Die „eiserne Lady von Manipur“ genannte Aktivistin hatte am 5. November 2000 einen Hungerstreik begonnen. Mit dem protestiert sie bis heute gegen ein Massaker indischer Sicherheitskräfte. Das haten diese im Jahr 2000 an Passanten verübt, die an einer Bushaltestelle gewartet hatten.

In Manipur und anderen Regionen des zwischen Bangladesch und Birma liegenden indischen Nordostens kämpfen verfeindete Guerilla- und Volksgruppen sowohl gegeneinander als auch gegen den indischen Staat. Der schlägt mit großer Brutalität zurück.

Sharmila arbeitete damals in einer Menschenrechtsorganisation und war es leid, immer wieder Tötungen zu dokumentieren, die nie geahndet wurden. Deshalb verkündete sie, fortan solange hungerfasten zu wollen, bis ein AFSPA genanntes Sondergesetz abgeschafft ist. Denn das garantiert Menschenrechtsverletzern in Uniform Straflosigkeit.

Gericht: Hungerstreik ist politischer Protest

Jetzt erklärte das Gericht in Manipurs Hauptstadt Imphal nach Angaben des Anwalts, die Behörden hätten nicht nachweisen können, dass Scharmila sich mit dem Hungerstreik töten wolle. Vielmehr sei dies doch ein politischer Protest.

Indische Gerichte hatten bisher Sharmilas Hungerstreik, der sich an Mahatma Gandhis historischem Hungerfasten gegen die britische Kolonialmacht orientiert, bisher stets als versuchten Suizid gewertet. Da dies nach indischem Gesetz mit einem Jahr Haft bestraft werden kann, ermöglichte das den Behörden, Sharmila in einem bewachten Krankenhaus über einen Schlauch in der Nase zwangszuernähren.

Nach einem Jahr musste sie freigelassen werden. Da sie ihren Hungerstreik fortsetzte, wurde sie erneut festgenommen und für weitere zwölf Monate zwangsernährt. So geht das seit knapp 14 Jahren. Offen ist, ob die 42-jährige Heldin der manipurischen Zivilgesellschaft jetzt wirklich freikommt.

Noch Berufung möglich

Die Behörden haben jetzt noch die Möglichkeit zur Berufung. Bisher gibt es auch keine Anzeichen, dass Sharmila ihren Hungerstreik beendet. Denn das bisher nur in Kaschmir wie dem Nordosten angewandte AFSPA-Sondergesetz gilt weiter.

Dabei hatte eine von der Regierung eingesetzte Kommission, die wegen Sharmilas Hungerstreik eingesetzt worden war, schon im Jahr 2005 zur großen Überraschung Delhis die Abschaffung des drakonischen Gesetzes gefordert.

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