Krieg in der Ukraine: Russen nehmen Grenzstadt ein

Prorussische Rebellen haben offenbar die Kontrolle über Nowoasowsk im Südosten der Ukraine übernommen. Dabei werden sie wohl von russischen Soldaten unterstützt.

Warnt vor einem russischen Einmarsch: Petro Poroschenko. Bild: dpa

KIEW/BERLIN rtr/afp | Russische Truppen sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in die Ukraine vorgedrungen. Bei den Kämpfen in der Ostukraine habe russisches Militär die Kontrolle über die Ortschaft Nowoasowsk übernommen. Dies teilte der ukrainische Sicherheitsrat am Donnerstag über Twitter mit. Bei einem Granatbeschuss in Donezk kamen nach Angaben der Stadtverwaltung am Donnerstag 15 Zivilisten ums Leben.

Nowoasowsk liegt an der Hauptstraße nach Mariupol etwa hundert Kilometer südlich der Rebellenhochburg Donezk. Durch die Region führt auch ein Landweg auf die von Russland annektierte Schwarzmeerhalbinsel Krim. In Donezk und Lugansk weiter nordöstlich waren die Aufständischen zuletzt erheblich unter Druck geraten.

Poroschenko erklärte: „Russische Soldaten wurden in die Ukraine gebracht.“ Wegen der „scharfen Zuspitzung“ der Lage habe er eine Türkei-Reise abgesagt und den nationalen Sicherheitsrat einberufen. Der Präsident forderte überdies eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates sowie Beratungen der EU über die Krise. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ließ erklären, sie sei „extrem besorgt über die jüngsten Entwicklungen am Boden“.

Nach Angaben der nato sind in der Ukraine „deutlich mehr“ als tausend russische Soldaten aktiv. „Die russischen Soldaten unterstützen die Separatisten, kämpfen mit ihnen, kämpfen unter ihnen“, sagte ein ranghoher Nato-Militärvertreter am Donnerstag.

Demnach bedienen die „gut ausgebildeten“ russischen Soldaten anspruchsvolle Waffensysteme und berieten die Separatisten in der Ostukraine. Aber es gebe auch „klare Hinweise auf Kontakt zwischen ukrainischen und russischen Kräften“, sagte der Nato-Vertreter und verwies zudem auf Berichte über getötete russische Soldaten. „Wir haben Bilder von Gräbern gesehen.“

Russland hat Vorwürfe eines militärischen Einmarsches dagegen zurückgewiesen. Moskau habe „keinerlei Interesse“ an einer Invasion in der Ostukraine, sagte Russlands OSZE-Vertreter Andrej Kelin am Donnerstag in Wien. „Wir haben ganz klar gesagt, dass Russland mit Ausnahme von zehn Grenzsoldaten keine Truppen in der Ostukraine hat“, sagte er der Agentur APA zufolge nach einer Sondersitzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Zu den aktuellen Berichten könne er nur sagen, dass Russland nicht an einer Entsendung von Truppen interessiert sei.

„Freiwillige“ aus Russland

Etwa 3.000 Freiwillige aus Russland unterstützen nach Angaben des Rebellenanführers Alexander Sachartschenko in der Ukraine die Separatisten. Die Soldaten hätten sich zu diesem Zweck beurlauben lassen, zitiert das russische Fernsehen den Rebellenchef. Zugleich sagte er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Rebellen das ukrainische Militär ohne Hilfe des russischen Staats besiegen könnten. Die Aufständischen führen Sachartschenko zufolge eine Offensive, die unter anderem die ukrainische Stadt Mariupol zum Ziel habe.

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk forderte die USA, die EU und die G7-Staaten auf, alle russischen Vermögenswerte einzufrieren, bis die russischen Truppen aus seinem Land wieder abgezogen sind. Der französische Präsident Francois Hollande zeigte sich besorgt über Berichte, wonach sich russische Soldaten auf ukrainischem Boden aufhalten. Sollten die Angaben stimmen, wäre dies „nicht zu tolerieren und inakzeptabel“, erklärt Hollande.

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden sich nach Worten von Kanzlerin Angela Merkel am Samstag mit der Lage in der Ukraine und möglicherweise auch weiteren Sanktionen gegen Russland beschäftigen. Es gebe Berichte über eine verstärkte Präsenz russischer Soldaten in der Ostukraine und einen Vormarsch der Separatisten auch in bisher ruhigen Gebieten, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. „Das zeigt, dass wir uns auf dem EU-Rat mit der Frage werden wieder beschäftigen müssen.“

Man habe immer wieder deutlich gemacht, dass bei einer Eskalation auch weitere Sanktionen geprüft werden sollten. Die EU müsse klären, wie sie auf die Entwicklung reagieren solle, sagte Merkel. „Wir wollen eine diplomatische Lösung.“ Aber die Lage sei seit dem Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem ukrainischen Kollegen Petro Poroschenko in Minsk wieder schwieriger geworden.

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