AfD bei der Sachsenwahl: Die Festung Dresden jubelt

Sie wollten zweistellig werden. Und haben es fast geschafft. Für die AfD und ihre Spitzenkandidatin Petry zahlt sich der Balanceakt am rechten Rand aus.

Schalalalala: Carsten Hütter (Mitte), stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Sachsen, jubelt nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse Bild: dpa

DRESDEN taz | Ein bisschen nervös sind sie doch, trotz der guten Umfragewerte. Kurz vor 18 Uhr ebben die Gespräche ab, es wird ruhiger in der „Festung Dresden“. In dem Restaurant an der Brühlschen Terrasse unweit der Synagoge, beste Altstadtlage also mit viel Geschichte, feiert die Alternative für Deutschland (AfD) ihre Wahlparty. „Wir wollen zweistellig werden“, hatte Spitzenkandidatin Frauke Petry, die auch Landeschefin und eine der drei SprecherInnen der Bundespartei ist, kurz vor der Wahl noch verkündet. Von einer „Schicksalswahl“ sprach gar ihr Generalsekretär Uwe Wurlitzer.

Ganz voll ist es nicht in der Festung. Der Moderator des Abends bittet die gut hundert AfD-Anhänger nach vorne, damit die Fernsehbilder gut werden. Gebannt starren sie auf die bunten Balken der ersten ARD-Prognose, die sich langsam an der Wand des Saales nach oben schieben. „Die FDP ist draußen“, sagt der Sprecher im Fernsehen. „Yeah“, ruft es durch den Saal. Klatschen. „Die NPD steht auf der Kippe“, heißt es dann. „Oooh“, ruft einer.

Jetzt beginnt der blaue Balken der AfD zu wachsen. 10 Prozent. Wirklich zweistellig. Arme fliegen hoch, Jubel im Saal. Rhythmisches Klatschen. „Oh, ist das schön“, sagt eine Frau. „Ich wusste doch, dass das klappt.“ Am Nebentisch klirren die Sektgläser, die schon vorher bestellt wurden. Zehn Minuten später steht Frauke Petry, schmale Gestalt, brauner Kurzhaarschnitt, dunkler Blazer, auf der kleinen Bühne. „Mir fehlen die Worte, es ist Wahnsinn“, ruft sie in den Saal. „Die AfD ist in Deutschland angekommen.“

Auch wenn es am Ende statt 10 nur 9,7 Prozent sind: Dieses Wahlergebnis ist eine Zäsur. Konnten Kritiker den Erfolg bei der Europawahl noch damit abtun, dass Brüssel weit weg ist und mancher Wähler für das Europaparlament leichtfertiger abstimmt als bei Bundes- und Landtagswahlen, muss man jetzt konstatieren: Erstmals seit Jahren etabliert sich hierzulande eine konservativ-rechtspopulistische Partei. Und schickt sich an, das Parteienspektrum rechts von der Mitte aufzumischen.

Grafik: infotext

Sachsen, das traditionell rechts wählt, ist die Hochburg der AfD. Knapp 700 Mitglieder hat die Partei nach eigenen Angaben hier. Bei der Bundestagswahl bekamen die Eurokritiker hier 6,8 Prozent der Stimmen, bei der Europawahl waren es gar 10,1 Prozent. Das war bundesweiter Rekord. Und jetzt hier in Dresden der Einzug in den ersten deutschen Landtag.

Die Umfragen sprechen dafür, dass die AfD auch in Brandenburg und Thüringen den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schafft, in zwei Wochen wird dort gewählt. Anfang kommenden Jahres könnte dann der Einzug in die Hamburger Bürgerschaft folgen. Die AfD wird so für die CDU immer mehr zum Problem, für FDP und NPD zur existenzgefährdenden Bedrohung. Nach ersten Einschätzungen haben in Sachsen besonders viele ehemalige FDP-Wähler ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Auch von NPD und CDU sind Wähler zu den Eurokritikern gewechselt.

Damit scheint die Doppelstrategie aufgegangen zu sein, mit der die AfD Wahlkampf gemacht hat. Steile Thesen platzieren, sich aber letztlich nicht festlegen. Rechtspopulismus zurückweisen – aber Raum nach rechts außen lassen.

Inhaltlich geschmeidig

Dafür steht auch Frauke Petry. Die Spitzenkandidatin ist Unternehmerin, vierfache Mutter, gläubige Protestantin und Pfarrersfrau – und inhaltlich geschmeidig. Vor der Wahl hatte sie betont, Rechtsextreme hätten in ihrer Partei keinen Platz – und ließ Plakate mit Slogans kleben, die von der NPD kaum zu unterscheiden sind. Sie verkündete, in der DDR sei nicht alles schlecht gewesen, auf die Unterstützung bei der Familiengründung könne man sich ruhig besinnen. Dann aber verkündete sie die 3-Kind-Familie als Norm und wollte mit einer Volksabstimmung das Abtreibungsrecht verschärfen – „um das Überleben des eigenen Volkes“ zu sichern.

Als ihr Stellvertreter Menschen mit Downsyndrom beleidigte, drängte Petry ihn zum Rücktritt. Als AfD-Kandidaten den österreichischen Rechtspopulisten Andreas Mölzer einluden, schritt sie ein. Die Veranstaltung wurde abgesagt. Ihr Pressesprecher aber war bis vor Kurzem noch stellvertretender Landeschef der Freiheit, jener Anti-Islam-Partei, die mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders anbändelte.

Der Wahlkampf der AfD war ein Balanceakt. Am Ende steht der Erfolg. Aber kann die Partei so weitermachen? Im Landtag wird sie Position beziehen müssen. Zu Koalitionsgesprächen mit der CDU wird es aber wohl nicht kommen – die Kanzlerin ist dagegen.

Dass es nicht leicht werden wird, weiß auch Frauke Petry. „Feiert heute, ab morgen geht die Arbeit los“, sagt sie. „Wir müssen das als Aufgabe verstehen.“ Dann verlässt sie eilig die Wahlparty und fährt zum Landtag. Dort warten die Fernsehkameras.

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