Ein Mann polarisiert: Stunde des Spalters

Weil er übers Anti-Primarschulnetzwerk fürs G9-Volksbegehren wirbt, erntet Walter Scheuerl Kritik von einstigen MitstreiterInnen.

Walter Scheuerl fehlt auf diesem Bild, will aber beim Volksbegehren mitmachen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Seit dem gestrigen Donnerstag sammelt die Gruppe „G9-Jetzt-HH“ in Hamburg Unterschriften für das Volksbegehren zur Rückkehr zum neunjährigen Abitur an Gymnasien. Im dem einstigen Anti-Primarschul-Netzwerk „Wir wollen lernen“ (WWL) führt dieses Thema offenbar zu einem Zerwürfnis, das nun auch öffentlich ausgetragen wird.

Eskaliert ist der Streit, nachdem dessen Sprecher Walter Scheuerl in einem Interview auf „Hamburg 1“ erklärte, er werde unterschreiben. Er tue dies aber als Privatperson, als Sprecher von WWL bleibe er neutral und empfehle dies nicht. Diese Trennung von persönlicher Meinung und Meinung des Netzwerks sei „künstlich“ und nicht überzeugend, erklärten Ute Schürnpeck und Heike Heinemann.

Ein Halleluja für zwei Säulen

Die beiden WWL-Mitstreiterinnen sind nun Mitglieder im Bündnis „Schulfrieden bewahren. Keine neuen Reformen“, das für die Beibehaltung des jetzigen Zwei-Säulen-Modells kämpft. Da dieses das achtjährige Abitur an Gymnasien und das neunjährige an den Stadtteilschulen anbietet, sei eine Veränderung der Struktur nicht nötig und für die Qualität sogar schädlich, erklärten sie jüngst gemeinsam mit den vier prominentesten WWL-Mitstreitern Frank Solms Nebelung, Susanne Gernandt, Ulf Bertheau und Anna von Treuenfels.

Scheuerls Agieren sei „nicht mehr fair“, erklärt Schürnpeck der taz. Die täglich von ihm in die Stadt verschickten WWL-Rundmails spreche er nicht mit seinen Mitstreitern ab. Der Anwalt betreibe eine „One-Man-Show“ und sei der alleinige Sprecher von WWL.

Besondern entrüstet habe sie seine Rundmail von Donnerstagfrüh, die auf den Start des Volksbegehrens hinweist und einen Link zur Unterschriftenliste enthält. Angehängt an die Mail, die laut Scheuerl rund 4.000 Empfänger hat, war auch ein ironisches Bildungsrätsel: „Was ist das zentrale pädagogische Argument für G8, das man nicht auf G9 anwenden kann“.

Trostpreis: Paddeln mit Scheuerl

Als dritter Preis wird versprochen: „Stand-Up-Paddling mit Walter Scheuerl auf Elbe oder Alster“. Zudem suggeriere er auf der WWL-Homepage in einem „Faktencheck“, dass es bei einer Rückkehr zum G9 mehr Unterricht an Gymnasien gebe. Damit täusche er falsche Inhalte vor.

Scheuerl selbst nennt den Täuschungsvorwurf absurd, er weise nur auf die Forderung nach mehr Unterricht an G9-Gymnasien hin. Gefragt, ob es stimmt, dass er seine Rundmails nicht abspreche, erklärt er: „Ja, sonst könnte man keine täglichen Rundmails machen. Wir haben das Plenum, da wird diskutiert.“

Zusammenkünfte des aktiven WWL-Unterstützerkreises von einst 120 bis 150 Personen habe es seit dem Erfolg des Anti-Primarschul-Volksentscheidung nur vereinzelt gegeben. Eine „One-Man-Show“ sei WWL aber nicht. Scheuerl sagt: „Natürlich braucht es eine Kraft, die sich kümmert.“ Aber es gebe ein Netzwerk von 15 bis 20 Personen, das ihm zuarbeite. „Dass ich die Texte schreibe, ist so. Irgendwer muss am Ende an den Tasten sitzen.“

Ein guter erster Sammeltag

Die Mehrheit der Schulkonferenzen an Gymnasien sowie zahlreiche Verbände und Gremien warnen vor der Rückkehr zum G9. Bei den Umfragen sieht das etwas anders aus.

Laut einer Umfrage unter 1.003 Hamburgern, die die Bild-Zeitung am 16. Juni veröffentlichte, wollen 42 Prozent das G9 zurück, 32 Prozent das G8 behalten und 22 Prozent sagen "weiß nicht".

Noch im Februar ergab eine vom Abendblatt in Auftrag gegebene Umfrage ein anderes Bild: 70 Prozent pro G9, 21 Prozent pro G8.

Laut einer Umfrage unter 500 Hamburgern, die die Morgenpost im März veröffentlichte, wollten sogar 78,6 Prozent zurück zum G9.

Ebenfalls zum Netzwerk von WWL gehört Mareile Kirsch, die Sprecherin der G9-Initiative. Der erste Sammeltag sei gut gewesen, erklärt sie der taz. Sie habe ihren Soll erfüllt. Um das Volksbegehren zu schaffen, muss die Gruppe bis zum 8. Oktober rund 63.000 Unterschriften sammeln. Wie viele Sammler es gibt, will die Journalistin nicht sagen, um „nicht einschätzbar“ zu sein.

Etwas diffus ist auch die Stimmung in der Stadt. Laut einer Umfrage der Bild von Juni sind 42 Prozent der Hamburger für G9. Auf die höchste Ablehnung stößt das Turbo-Abitur mit je 68 und 69 Prozent überraschenderweise bei Wählern von Grünen und Linken.

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