Hooligan-Krawalle in Köln: „Eine reine Neonazi-Demonstration“

Antira-Initiativen wurden aus den Stadien verdrängt, sagt Pavel Brunßen vom linken Fan-Magazin „Transparent“. So konnte die rechte Hoolszene anwachsen.

Kategorie-C-Fans am Sonntag in Köln: Die Polizei verwendet diesen Begriff für gewaltsuchende Fußballfans Bild: dpa

taz: Herr Brunßen, am Sonntag sind in Köln mehrere tausend Hooligans aufmarschiert. Hat Sie das überrascht?

Pavel Brunßen: In der Intensität und Quantität, wie es da abging, habe ich das nicht erwartet. Vorher war ja die Rede von Teilnehmerzahlen zwischen 1.000 und 1.500. Mittlerweile muss man von mindestens 3.000 bis 4.000 ausgehen, vielleicht mehr. Sie kamen aus der rechtsextremen und aus der Hooliganszene, und haben sich explizit neonazistisch geäußert. Eine enorm hohe Aggressivität war da zu beobachten.

Bislang wurde mit guten Gründen argumentiert, dass Hooligans keine Nazis sind. Nun haben sie sich selbst als Rechtsextreme präsentiert. Wie ist das zu erklären?

Die Gruppen sind immer noch nicht gleichzusetzen. Es gibt Überschneidungen, zum Teil sogar sehr große Überschneidungen, aber dennoch sind diese Gruppen nicht identisch. Gleichwohl muss man mehr, als es bislang geschehen ist, darauf aufmerksam machen, dass es auch klar rechte Gruppierungen unter den Hools gibt, etwa bei Alemannia Aachen, wo sie sich sogar gegen eine antirassistische Ultragruppe durchsetzen konnten. Und natürlich deuten Werte wie Männlichkeit, Stärke et cetera darauf hin, dass es auch ideologische Gemeinsamkeiten gibt.

Glauben Sie, dass es auch Widerstand in der Szene gibt. Hooligans gegen „Hooligans gegen Salafisten“?

Ja, das denke ich schon. „Hooligans gegen Salafisten“ ist ein Label. Es geht denen ja gar nicht um Salafismus, sondern es ist ein klar erkennbarer rechtsextremer Versuch, so in die Mitte der Gesellschaft hineinagieren zu können, in dem man gegen Muslime, gegen Ausländer, gegen den Islam Stimmung macht. Die wollen anschlussfähig für, wie es heißt, „normale Bürger“ sein. Das ist nicht unbedingt ein Hooligan-Anspruch. Gleichwohl war das in Köln, wo viele Hooligans agierten, wo Hooligans die Organisation innehatten und wo gezielt Hooligans mobilisiert wurden, eine reine Neonazidemonstration. Das ist klar.

Was kann man denn gegen diese neuen rechtsextremen Aufmärsche machen? Diskutiert wird ja schon, am 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome, nach Berlin vors Brandenburger Tor zu ziehen. Helfen da noch bisherige Ansätze wie Fanprojektarbeit?

Auf jeden Fall ist es keine neue Qualität, sondern wir beobachten bei den rechten Exzessen in der Hooliganszene eine Kontinuität. Dass die rechte Hoolszene so anwachsen konnte, hat vor allem damit zu tun, dass antirassistische Initiativen aus den Stadien und aus den Fanszenen hinausgedrängt wurden, teils mit Unterstützung der Vereine. Das ist in Aachen geschehen, wo antirassistische Ultras rausgedrängt wurden. Das gab es in Braunschweig. Das hat bei Hooligans zu einem Erfolgserlebnis geführt. Von der rechten Band „Kategorie C“, die auch in Köln aufgetreten ist, stammt die Einschätzung, dass Hooliganauftritte ein gutes Beispiel seien, um die Ultras aus den Stadien zu drängen.

Der 27-Jährige ist Chefredakteur von http://transparent-magazin.de/, einem Magazin für Fußball und Fankultur, das seit 2012 erscheint.

Aufmärsche wie der in Köln sind also möglich geworden durch Versagen der Vereine?

In gewisser Weise ja. Das Selbstbewusstsein der Hooligans konnte sich entwickeln, wenn ihnen kein Kontra gegeben wird und die Vereine sogar diejenigen, die Kontra geben, fallen lassen. In Dortmund oder Bremen wird denen noch widersprochen, aber in anderen Städten dominieren die mittlerweile.

Fans sind also gefordert?

Ja, Widerspruch ist nötig. Gleichwohl darf man die Polizei und Sicherheitsbehörden nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

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