Ebola-Tagebuch – Folge 39: „Ebola geht zurück“ – wirklich?

In Liberia geben lokale Medien vorsichtig Entwarnung. Währenddessen fürchten Experten in der Hauptstadt Monrovia bald 90.000 Tote.

Abtransport einer auf der Straße gefundenen Ebola-Leiche in Monrovia. Bild: reuters

BERLIN taz | Die internationalen Experten sind sich einig: Das Schlimmste bei der Ebola-Epidemie in Westafrika kommt erst noch. 10.1412 bestätigte Erkrankungen in Guinea, Liberia und Sierra Leone, davon 4.922 Todesfälle vermeldete die Weltgesundheitsorganisation WHO in ihrem jüngsten Überblick am Wochenende; es sei weiterhin eine „verbreitete und intensive Übertragung“ zu verzeichnen.

Eine am am 24. Oktober veröffentlichte groß angelegte Expertenstudie in der Fachzeitschrift The Lancet, gemeinsam erstellt von Wissenschaftlern in den USA und dem Gesundheitsministerium von Liberia, prognostiziert aus den gegenwärtigen Übertragungsmustern allein im Großraum der Hauptstadt Monrovia, dem Distrikt Montserrado, knapp 171.000 Ebola-Infektionen bis Mitte Dezember. Darunter seien 90.000 Todesfälle. Über die Hälfte dieses Anstieges sei aber vermeidbar, wenn bis Ende Oktober deutlich mehr Ebola-Behandlungsbetten vorhanden und das Diagnoseverfahren fünfmal so schnell sei wie heute.

Der Großraum Monrovia mit 1,38 Millionen Einwohnern ist gegenwärtig das am meisten von Ebola betroffene Gebiet.

Aber in Monrovia selbst verbreiten lokale Medien und Organisationen einen völlig anderen Eindruck. „Weltbank-Gesundheitsexperte zuversichtlich im Kampf gegen Ebola“, titelt die Zeitung Front Page Africa. New Dawn bestätigt: Liberias Ebola-Infektion geht zurück“. Und im Daily Observer lautet eine Überschrift: „Weniger als 400 Fälle landesweit: Ebola geht zurück, sagt Dorbor Jallah.“

Jallah ist Vizeadministrator bei Liberias Krisenreaktionszentrum. Seinen Angaben zufolge gibt es in den Ebola-Behandlungszentren des Landes über 300 freie Betten. Im Distrikt Foya, wo noch vor Kurzem 80 Ebola-Patienten behandelt wurden, sei das 120-Betten-Zentrum heute leer.

Auch der Leiter des liberianischen Roten Kreuzes spricht von einem Rückgang der Seuche. In der vergangenen Woche habe man von den Straßen des Distriktes Montserrado 117 Leichen eingesammelt, gegenüber 315 in der dritten Septemberwoche, sagte Fayah Tamba: „Man braucht keinen Weltraumspezialisten, um daraus zu schließen, dass es weniger Fälle gibt.“

Man kann aber auch daraus schließen, dass die Daten aus Liberia immer unzuverlässiger werden. Laut WHO waren bis zum vergangenen Freitag in Liberia 2.705 Menschen an Ebola gestorben. Der Tagesbericht des liberianischen Gesundheitsministeriums für den gleichen Tag spricht von 2.104 – genauso viele wie am Vortag, trotz 40 neuer Toter. Genau 324 Patienten befinden sich demnach in Liberia in Ebola-Behandlungszentren, 290 davon in Montserrado.

Es geht aus diesen Zahlen nicht hervor, was mit den mehreren tausend Menschen in Liberia ist, die zwar an Ebola erkrankt sind, aber sich weder in Behandlung befinden noch gestorben sind. Aus der relativ niedrigen Zahl von Patienten in Ebola-Behandlungszentren kann nicht geschlossen werden, dass es ziemlich wenige Ebola-Kranke gibt, sondern eher, dass es immer noch ziemlich wenige Ebola-Behandlungszentren gibt.

In Guinea und Sierra Leone sind die Statistiken ehrlicher. Die bemerkenswertesten Zahlen kommen aus Sierra Leone: 1.978 Menschen wurden seit Ausbruch der Epidemie in Ebola-Behandlungszentren eingeliefert – 681 starben.

Aber 724 wurden mittlerweile gesund entlassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.