Befristete Hilfe für Langzeitarbeitslose: Arbeitsmarkt verlängert

Das Wirtschaftsressort finanziert jetzt doch die Bremer „Ehrenamt“-Jobs weiter. Notwendig wäre ein neues Modell für den zweiten Arbeitsmarkt.

Betätigungsfeld für Langzeitarbeitslose: Das Schulschiff "Deutschland" wird zur Überholung auf die Werft geschleppt. Bild: dpa

BREMEN taz | 630.000 Euro stellt das Wirtschafts- und Arbeitsressort bereit, um Ersatz-Tätigkeiten für Bremer Langzeitarbeitslose befristet weiter zu finanzieren. Sie werden im Rahmen der „Regionalen Netzwerke“ organisiert. Für 237 Hartz-IV-EmpfängerInnen bedeutet das, dass sie ihre Jobs auf dem zweiten Arbeitsmarkt nun doch nicht zum Jahresende verlieren.

Dieser Kehrtwende des Wirtschaftsressorts ging erheblicher Druck aus den Stadtteilen voraus, in denen die Betroffenen überwiegend tätig sind: in Mütterzentren, Stadtteil-Farmen, Nachbarschaftshäusern oder Arbeitslosen-Cafés. Rund 100 Klein- und Kleinsteinrichtungen stehen auf der Liste der Institutionen, die ihren MitarbeiterInnen hätten kündigen müssen.

Die offizielle Bezeichnung von deren Jobs lautet: „sozialräumliche ehrenamtliche Tätigkeit von SGB-II-Beziehenden“ – doch im Prinzip handelt es sich um das Modell der nominell zwischenzeitlich abgeschafften Ein-Euro- oder In-Jobs: Langzeitarbeitslose bekommen, zusätzlich zu Hartz IV, monatlich rund 190 Euro, wenn sie in gemeinnützigen Einrichtungen arbeiten.

Erst im Juni hatte die Wirtschaftsdeputation beschlossen, diese Förderung Ende 2014 auslaufen zu lassen. Angesichts knapper Mittel sei deren Effizienz unzureichend. Uwe Mühlmeyer vom Verbund der arbeitsmarktpolitischen Dienstleister in Bremen (Vadib) hingegen hält die Integrationsquote von rund 15 Prozent für einen guten Wert.

Der Einsatz des Bürgermeisters

Die Jobmodelle des zweiten Arbeitsmarktes, zu denen mittlerweile auch die „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwand“ (AGH) als weitere Fortsetzung des Ein-Euro-Modells gehören, sind traditionell umstritten. Dabei spielt sowohl das unzureichend definierte Merkmal ihrer Wettbewerbs-Neutralität als auch mögliche Gewinn-Marge großer Maßnahmeträger und die Frage der Freiwilligkeit dieser Tätigkeiten eine Rolle. Viele kleine Einrichtungen würde der Wegfall dieser Stellen allerdings an den Rand der Existenzfähigkeit bringen – und viele Betroffene schätzen das Gebrauchtwerden und den tagesstrukturierenden Charakter ihrer Jobs.

Die „Ehrenamts“-Jobs sind nun bis zum 1. August 2015 abgesichert. In einer Vorlage des Wirtschaftsressorts wird angedeutet, dass eine weitere befristete Förderung bis Ende 2015 in Höhe von 450.000 Euro denkbar sei – doch dann wären die jetzt herangezogenen Restmittel aus alten EU-Förderperioden erschöpft.

Die jetzt erreichte Atempause ist letztlich Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) zu verdanken, der hinter den Kulissen seinen abwicklungswilligen Wirtschaftssenator zurückpfiff – unterstützt von einer SPD-Parlamentarier-Riege um SPD-Landeschef Dieter Reinken, der vor noch nicht sehr langer Zeit von der Gewerkschaftsarbeit in die institutionelle Politik wechselte. Ob allerdings die Medienwerkstatt Huchting, das generationsübergreifende Lüssumer „Haus der Zukunft“, das „Café Abseits“ in Tenever und die anderen Kleineinrichtungen langfristig mit diesen Stellen rechnen können, ist äußerst ungewiss.

Beim Jobcenter liegt Geld

Fachleute wie Mühlmeyer favorisieren ohnehin ein neues Modell, das unter dem Titel „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ (FAV) firmiert. Gemeint sind sozialversicherungspflichtige Jobs für Langzeitarbeitslose, die keinen schwierig einzuhaltenden Kriterien wie Wettbewerbsneutralität und Zusätzlichkeit unterliegen – aber eindeutig nur von Menschen besetzt werden können, die zwei Vermittlungshemmnis-Merkmale aufweisen.

Der Charme des Modells bestünde nicht zuletzt darin, dass die Finanzierung der Lohnkosten zu drei Vierteln wieder beim Bund in Gestalt des Jobcenters läge. Die Jobcenter in Bremen und Bremerhaven verfügen, wie kürzlich bekannt wurde, über ungenutzte Mittel zwischen 4,5 und acht Millionen Euro für Eingliederungsmaßnahmen. Bei Nichtnutzung fallen sie an den Bund zurück.

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