Venezolanische Eisdiele wird Politikum: Zank um Schinken-Käse-Eis

Die weltberühmte Eisdiele „Coromoto“ in Merida schloss offiziell wegen Mangel an Milch. Die Regierung wittert eine Kampagne der Opposition.

Manuel da Silva Oliveira (rechts), Gründer der Eisdiele mit einem Kunden 2008. Bild: wikimedia (cc2)

BERLIN taz | Sie ist weltberühmt, steht im Guinnessbuch der Rekorde und ist eine der, wenn nicht überhaupt die Touristenattraktion der Stadt Merida: die Eisdiele „Coromoto“ mit ihren 857 verschiedenen Sorten Eis.

Jetzt ist das in den frühen 80er Jahren von einem portugiesischen Einwanderer gegründete Geschäft zu einem Politikum geworden: „Aus Mangel an Milch geschlossen“ steht seit dem vergangenen Wochenende auf einem an der Tür angebrachten Pappschild.

Die Botschaft ist klar: Nicht nur die normalen Venezolaner, die schon seit Monaten in langen Schlangen anstehen, wenn einmal ein Geschäft Milch im Angebot hat, sind betroffen – jetzt macht die Mangelwirtschaft auch vor den touristischen Ikonen nicht mehr Halt. Die Nachricht erschien auf der spanischsprachigen Seite der BBC und in nahezu allen, vornehmlich der Opposition nahestehenden, Blättern in Venezuela.

Die Regierung reagierte prompt: Quasi als ausführliche Gegendarstellung zum kurzen Pappschild verbreitete das Tourismusministerium rasch einen Artikel des Universitätsprofessors Pedro Sivas von der Universidad de Los Andes, der den Eigentümer der Eisdiele der Lüge bezichtigt: Nicht aus Mangel an Milch nämlich habe Manuel da Silva sein Geschäft geschlossen, sondern weil er schlicht immer über die Weihnachtstage dichtmache, um ein paar Tage in seiner portugiesischen Heimat zu verbringen.

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Eine Unverschämtheit

Aber da Silva gehöre zur politischen Opposition. Das sei sein gutes Recht, aber die Schließung der Eisdiele unter diesem Vorwand sei Teil der Kriegsführung niedriger Intensität gegen die gegenwärtige Linksregierung unter Präsident Nicolas Maduro. Da Silva sei kein Eisverkäufer mehr, sondern ein „Guarimbero“ – das Schimpfwort, mit dem die regierenden Chavisten oppositionelle Demonstranten bezeichnen.

José Ramírez, der Geschäftsführer der Eisdiele, polterte umgehend im Telefoninterview mit der BBC zurück: Eine Unverschämtheit sei dieser Artikel, weder sei da Silva verreist, noch würde die Eisdiele sonst schließen, wenn er mal verreist sei. Im Übrigen hätten auch andere Geschäfte in Merida aufgrund des Mangels an Milch Schwierigkeiten, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, sagte Ramírez.

Statt Eis in den Geschmacksrichtungen Schinken-Käse, Reis, Aperol oder Hackfleisch gibt es jetzt Streit in Merida – wenigstens bis die „Coromoto“ wieder aufmacht. Wann das ist, weiß niemand.

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