: Mensch und Apparatur
Im Metropolis zeigt die „Werkstatt Bild & Ton“ Steven N. Martins bemerkenswerte Dokumentation über Leon Theremin, den Erfinder des gleichnamigen Musikinstruments
Brian Wilson erinnert sich nur mit einigem Schaudern zurück: Als Kind, erzählt er fahrig in die Kamera, habe ihn der „beinahe sexuelle“ Klang des Theremins in Schrecken versetzt. Nun hat es Zeiten gegeben, da flößten auch normale Alltagsgegenstände oder das Leben an sich dem Genius der Beach Boys Angst ein, was er durch Drogenkonsum und ausgeprägtes Cocooning zu umgehen suchte. Im Falle des Theremins indes steht er nicht so alleine da: Diente doch das charakteristische, stufenlos auf- oder abschwellende Heulen jenes Synthesizer-Vorläufers etwa den Filmmusikern in Hollywood immer wieder dazu, Seltsames und Beängstigendes anzukündigen oder zu begleiten. Man denke etwa an diverse Streifen Alfred Hitchcocks oder gleich ganze Regalmeter 50er-Jahre-Science-Fiction.
Wilson ist nur einer von zahlreichen talking heads in der Dokumentation Theremin: An Electronic Odyssey; daneben kommen der Synthesizer-Guru Robert Moog und etliche mehr oder minder legendäre Theremin-SpielerInnen zu Wort. Denn verwendet wurde das wundersame Magnetfeld-Instrument, das gespielt wird, ohne es zu berühren, auch von manch aufgeschlossenem Popmusiker und gelegentlich auch in der Ernsten Musik. Ob Brian Wilson für „Good Vibrations“ übrigens ein wirkliches Theremin verwendete oder nicht doch eher eine einfacher zu bedienende verwandte Gerätschaft, darüber scheiden sich die Geister. Die eigentliche Sensation in Steven N. Martins Film indes kommt beinahe beiläufig daher: Der Filmemacher brachte den Erfinder des sonderbaren Apparates, den russischen Ingenieur Leon Theremin – eigentlich Lew Termen –, leibhaftig vor die Kamera.
Und er begleitete den über 90-Jährigen bei der Rückkehr nach New York, von wo aus er Jahrzehnte zuvor unter unklaren Umständen in die stalinistische Sowjetunion entführt worden war. Die Fertigstellung von Regisseur Martins filmischer Spurensuche übrigens erlebte Theremin nicht mehr: Er starb kurz zuvor, im Jahr 1993. Wäre der Film später entstanden, hätte er auf die Wiederentdeckung des Geräts – etwa durch Stereolab und Jon Spencer – einzugehen gehabt. Auch, weil das unterblieb, ist er frei von Bemühtheit und ganz und gar seinem Objekt verfallen. Alexander Diehl
Do, 15. 12., 21.15 Uhr, Metropolis; Einführung: Dierk Eckhard Becker