Umgang mit Flüchtlingen: Landesamt bricht Bundesrecht

Erstmals gibt das für Flüchtlinge zuständige Landesamt für Gesundheit in Berlin zu, dass es Asylbewerber nicht gesetzeskonform behandelt. Scharfe Kritik von Piraten.

Warteschlange am LaGeSo. Bild: Susanne Memarnia

Jetzt ist es offiziell: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) verstößt gegen Gesetze. Asylbewerber „können zur Zeit nicht alle sofort im üblichen und leistungsrechtlich korrekten Umfang versorgt werden“, schreibt Gesundheitsstaatssekretär Dirk Gerstle in Beantwortung einer Anfrage des Piraten-Abgeordneten Fabio Reinhardt. Das LaGeSo sei aber „bemüht“, den Zeitraum, in dem Flüchtlinge ohne Bargeld, Krankenschein und Berlinpass dastehen, auf fünf bis sieben Tage zu begrenzen, heißt es weiter in der noch nicht veröffentlichten Drucksache, die der taz vorliegt. Reinhardt wertet die Antworten als Beleg für die katastrophalen Zustände beim LaGeSo. „Tagtäglich werden dort Menschenrechte mit Füßen getreten“, sagte er der taz.

Seit Monaten beobachten der Flüchtlingsrat sowie die Abgeordneten Reinhardt und Canan Bayram (Grüne), dass neu nach Berlin kommende Asylsuchende in dem Amt in der Moabiter Turmstraße nicht oder nur unzureichend versorgt werden. Sie berichteten wiederholt von Flüchtlingen, die teils ohne jegliche Versorgung weggeschickt würden und nicht einmal ihren Asylantrag stellen könnten, teils aber auch tage- oder wochenlang in Turn- und Traglufthallen festsäßen – ohne Bargeld, Fahrkarten und medizinischer Versorgung.

Auch die taz hat mehrere Betroffene gesprochen, die dies bestätigten. Bislang hat das Amt solche Vorwürfe stets zurückgewiesen – man gab lediglich zu, dass es zeitweilig Probleme bei der Ausstellung von Krankenscheinen gegeben haben.

Das ist nun anders. Begründet wird die Nicht-Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften mit der hohen Zahl von Asylbewerbern. Laut Gerstle haben in Moabit „in der ersten Februarwoche insgesamt mehr als 1.300 Asylsuchende vorgesprochen, darunter über 700 neue Antragstellerinnen und Antragsteller“. Für so viele Menschen, so die Erklärung, gebe es weder genug Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen noch könne in allen Fällen „die technische Abwicklung der Leistungsgewährung“ sichergestellt werden. Auf Deutsch: Die über 1.000 Menschen in den sieben Turnhallen, die seit Dezember als Notunterkünfte requiriert wurden, bekommen tatsächlich nur ein Dach überm Kopf und drei Mahlzeiten – alles andere muss warten.

Und noch eine Neuigkeit kann man zwischen den Zeilen der Piraten-Anfrage herauslesen: Das vermeintliche Provisorium Turnhalle wird immer langlebiger. Als im Dezember die erste Notunterkunft dieser Art eröffnete, hieß es, spätestens Ende Februar sei damit Schluss. Im Januar hieß es, bis Ostern könne es schon gehen. Nun schreibt Gerstle: „Die Sporthallen sollen zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder aufgegeben werden.“ Je nach „Zugangszahlen“ könne es aber auch sein, dass noch weitere derartige Unterkünfte „mit Notbelegung eingerichtet werden müssen“.

Je länger aber diese Provisorien dauern, desto länger würden den Menschen Leistungen vorenthalten, kritisiert die Abgeordnete Bayram. „Das ist inzwischen ein permanenter Verstoß gegen Grundrechte.“ Auch dass es zum Beispiel in den Turnhallen keine Waschmaschinen gibt, sei damit begründet worden, dass sich dies für ein paar Wochen ja nicht lohne – aber dieses „Ammenmärchen“ dürfe niemand mehr glauben. „Die Turnhallen-Betreiber müssen jetzt auf den Tisch hauen“, so Bayram, „sonst passiert da nichts.“

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