Tapfere Hannoversche Verlierer: Im Krisenstadl

Hannover 96 schlägt sich zu Hause wacker gegen den übermächtigen FC Bayern München, verliert am Ende trotzdem.

Vergebens: Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler streckt sich beim Elfmeter durch Bayerns Müller nach dem Ball Bild: dpa

HANNOVER taz | Sie hatten wirklich gut gespielt, recht tapfer sich gewehrt. „Was wir gemacht haben, war enorm stark“, sagte Leonardo Bittencourt. Der kleine Mittelfeldspieler von Hannover 96 war derart viel gerannt, dass ihn nach der 1:3 (1:1)-Heimniederlage gegen Bayern München Krämpfe plagten. Und er hatte allen Grund, sich aufzuregen – über zwei strittige Schiedsrichterentscheidungen, die dem Tabellenführer der Fußball-Bundesliga die entscheidenden Toren von Xabier Alonso (28. Minute/Freistoß) und Thomas Müller (61./Foulelfmeter) ermöglicht hatten.

Aber das Lob in eigener Sache und der Ärger über den Unparteiischen können nichts an der vielschichtigen Krise ändern: Hannover 96 sind der Erfolg, die gute Laune und treue Fans gleichermaßen abhandengekommen.

Belastetes Verhältnis

„Kind muss weg!“ – schon vor dem Anpfiff des Duells mit dem Branchenprimus, auf das sich herkömmliche Zuschauer stets freuen, hatte ein kleiner Kreis der Fans wieder diese Worte gesungen. Das Verhältnis zwischen den Ultras, die über Jahrzehnte für die Stimmung im Stadion zuständig waren, und Präsident Martin Kind ist stark belastet: Der hartgesottene Teil der Anhänger in der Nordkurve fühlt sich vom Vereinsboss gegängelt und missverstanden. Kind wiederum möchte keine Fans mehr im 96-Stadion sehen, die Pyrotechnik abbrennen und dem Verein mit anderweitig unvernünftigem Verhalten Geldstrafen einbringen.

Ein offener Brief der Vereinsführung an alle Fans, der kurz vor dem Bayern-Gastspiel veröffentlicht worden ist und als erneute Distanzierung von den Ultras gewertet werden muss, hat die Fronten weiter verhärtet. Entsprechend schlecht war trotz des Schaulaufens mehrerer Weltmeister im Bayern-Trikot die Stimmung im mit 49.000 Zuschauern ausverkauften Stadion.

Es gab diese Momente, in denen das Team von Hannover 96 Anfeuerung gut hätte gebrauchen können. Hiroshi Kiyotake hatte das Unmögliche möglich gemacht und in der 25. Minute das 1:0 erzielt. Der verdiente Lohn für ein beherztes Auftreten der Hannoveraner gegen die übermächtigen Bayern. Denn die Elf von Trainer Tayfun Korkut, seit Beginn der Rückrunde ohne Sieg, besaß die besseren Torchancen und schlug Kapital daraus, dass die Münchener zunächst auf Stars wie Franck Ribery, Bastian Schweinsteiger und Robert Lewandowski verzichteten. Außerdem gelang es mit vereinten Kräften, Bayern-Leistungsträger Arjen Robben grundlegend auszubremsen.

„Wir haben nicht viel falsch gemacht“, befand 96-Trainer Korkut und lag damit richtig. Es war ein Auftritt, der Mut machen kann – trotz des 1:3, mit dem Müller in Minute 72 für die Entscheidung sorgte. Korkut wird dafür verantwortlich gemacht, dass sich 96 immer mehr den Abstiegsrängen nähert. Kind gilt manchen Fans schon lange als Dorn im Auge, weil er seine Sicht der Dinge so konsequent durchsetzt. Auch Sportdirektor Dirk Dufner wird zunehmend angefeindet und kritisiert.

Mannschaft zeigt Einsatz

Er gab sich jetzt große Mühe, Korkut den Rücken zu stärken und alle Entlassungsgerüchte zu zerstreuen. Zur Stimmung im Stadion sagte Dufner: „Die Sprechchöre waren noch intensiver als sonst.“ Das war freundlich formuliert: Die ständigen „Kind muss weg!“-Rufe stören das Miteinander, schädigen das Image des Vereins – und sie sind feindselig gegenüber einer Mannschaft, die sich am 24. Bundesliga-Spieltag sehr bemühte.

Ob Kind, Korkut oder Dufner: Keiner von ihnen erweckt den Eindruck, als kenne er den Weg aus der Krise. Die Spieler, die die unzufriedenen Fans noch am besten erreichen könnten und ihrerseits Sehnsucht nach mehr Anfeuerung haben, stoßen auf, aber auch neben dem Platz an ihre Grenzen. Sie schaffen es nicht, zur Besserung beizutragen – weder mit Worten noch mit Taten.

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