Ägypten plant Verwaltungshauptstadt: Übermorgenland am Nil

Auf einer Konferenz in Scharm El-Scheich werden Milliardenaufträge unterzeichnet. Auch eine neue Hauptstadt soll gebaut werden.

So soll die neue Stadt aussehen - mit dem Flughafen mittendrin. Bild: AP

KAIRO taz | Es sieht so aus, als würde jetzt das Übermorgenland in Ägypten eingeläutet. So zumindest sehen die Reißbrettpläne aus, die auf der Internationalen Wirtschaftskonferenz im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich am Roten Meer der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Allen voran steht die Idee, östlich von Kairo eine neue Verwaltungshauptstadt zu bauen. Zu sehen waren auf der Präsentation Wolkenkratzer à la Dubai, Parks, lachende Kinder auf Schaukeln, Frauen ohne Kopftücher und keinerlei Armut auf den picobello sauberen Straßenschluchten.

Die Pläne für die neue Stadt, die zwischen Kairo mit seinen 18 Millionen Einwohnern und dem Suezkanal entstehen soll, wurden von Ägyptens Wohnungsbauminister Mustafa Kamel Madbuli vorgestellt. Alle Regierungs- und Verwaltungsgebäude und die Botschaften sollen dort angesiedelt werden. Ein neuer internationaler Flughafen soll ebenso gebaut werden wie ein Freizeitpark, „viermal so groß wie Disneyland in Kalifornien“.

Die Kosten für die neue Metropole, die auf einer Fläche von fast 500 Quadratkilometern entstehen und die 5 Millionen Menschen beherbergen soll, werden mit 45 Milliarden Dollar angegeben. Details über die Finanzierung wurden nicht genannt.

An der Konferenz nahmen rund 1.700 internationale Investoren, Geschäftsführer, Regierungsbeamte und Geldgeber sowie rund 25 Staats- und Regierungschefs teil. Die meisten kamen aus der Golfregion, aber auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel war anwesend.

Zahlreiche Projekte im Energiesektor vereinbart

Am konkretesten wurde es bei Projekten im Strom-, Öl- und Gassektor. Der deutsche Anlagenbauer Siemens will in den kommenden fünf Jahren für rund 10 Milliarden Euro ein Kraftwerk und Windkraftanlagen bauen sowie Werk für Rotorblätter errichten, sagte Siemenschef Joe Kaeser. Ägypten leidet seit Jahren an immer wiederkehrenden Stromausfällen. Der größte Deal wurde aber mit der britischen Ölfirma BP unterzeichnet, die mit ihrem russischen Partner DEA 12 Milliarden Dollar in die Entwicklung neuer Gasfelder investieren will.

Vor allem die Golfstaaten wollen weiterhin Milliarden in das Land am Nil pumpen. Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate sagten bereits zum Auftakt der Konferenz jeweils vier Milliarden Dollar zu. „Wir werden der Zukunft Ägyptens Leben einhauchen“, versprach Dubais Emir, Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktum auf der Konferenz.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi verkaufte in einer Rede den Investoren sein Land als Bollwerk gegen Islamisten. „Ägypten wird immer an vorderster Linie gegen die Gefahren stehen, die die Region herausfordern“, erklärte er unter Applaus. Sisi hat die Konferenz internationale Anerkennung eingebracht. Im Juli 2013 hatte er seinen Vorgänger Mohammed Mursi gestürzt, begleitet von Massendemonstrationen gegen die Muslimbruderschaft. Bei der gewaltsamen Auflösung der Protestlager der Muslimbrüder und der Anti-Putsch-Bewegung hatte es offiziell mindestens 600 Tote gegeben, nach inoffiziellen Angaben weit mehr. Tausende Anhänger der Muslimbruderschaft wurden ebenso wie liberale Kritiker des Regimes inhaftiert.

Investoren wünschen sich politische Stabilität

Davon war auf der Konferenz keine Rede. Sisi bekam auch von Deutschland die gewünschte Anerkennung: Gabriel überbrachte ihm eine Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Staatsbesuch in Deutschland.

Amr Adly, der für die Carnegie-Stiftung über Ägypten berichtet, wies gegenüber der taz darauf hin, dass es mehrere Wege gäbe, den Erfolg einer Konferenz zu messen: an der Zahl hochrangiger Gäste oder der Summe der zugesagten Gelder. Wirklich messen könne man den Erfolg aber erst nach drei bis fünf Jahren, wen man den Stand des Projekts überprüfe.

„Es ist deutlich, dass die politische Führung ein positives Investitionsklima schaffen will. Selbst staatliche Infrastrukturprojekte sollen nicht mehr gegenüber ausländischen Investitionen verschlossen bleiben. Auch die Anwesenheit des IWF und der Weltbank auf der Konferenz sowie der Wille der Golfstaaten, am Nil zu investieren, setzten positive Signale“, glaubt Adly. Aber es gebe unbekannte Faktoren wie die politische Stabilität und die Frage, ob die Golfstaaten angesichts des sinkenden Ölpreises ihre Zusagen einhalten werden.

Tatsächlich kommt es seit Monaten immer wieder zu Anschlägen in Nordsinai und in Kairo. „Investitionen und der damit einhergehende wirtschaftliche Aufschwung können natürlich Stabilität schaffen“, sagt der Carnegie-Ökonom Adly, „aber Investitionen brauchen auch ein politisch stabiles Klima.“

Frustration in den Armenvierteln

Für die Menschen im Armenviertel Ezbet Awlad Alam in Kairo sind die Männer in den grauen Anzügen auf der Wirtschaftskonferenz in Scharm El-Scheich weit weg. Hier liegt der Friseurladen von Alaa Mischmisch, zu deutsch: Alaa die Aprikose. In Wirklichkeit heißt der Friseur Alaa Muhammad und den Job als Barbier macht er am Nachmittag, vormittags arbeitet als Putzkraft in einem Ministerium. Mit Frau und seinen drei Kindern kommt er mit seinen Jobs gerade einmal so über die Runden.

„Ich stehe bei Morgengrauen auf und bete, dann gehe ich ins Ministerium, wo ich putze und Hausmeisterarbeiten erledige. Das Geld, das ich dort verdiene, reicht gerade einmal, um die Schule der Kinder zu finanzieren. Also komme ich nachmittags in meinen Friseurladen. Erst um Mitternacht mache ich zu. Dann komme ich müde heim, um bei Morgengrauen wieder aufzustehen“, erläutert er seinen Tagesablauf.

„Die Revolution hat uns nichts gebracht, nichts hat sich seitdem für uns zum Positiven gewendet“, meint Ahmad alias Aprikose. Jetzt müsse man abwarten, meint er und fügt hinzu: „Wenn Gott uns beisteht, ändert vielleicht die Wirtschaftskonferenz etwas an unserem Leben“.

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