Kommentar TTIP-Aktionstag: Der erste europäische Protest

Der Widerstand gegen TTIP spielt sich nur zu einem kleinen Teil auf der Straße ab. Protest drückt sich heute anders aus als noch in den 1980er Jahren.

Protest gegen Freihandelsabkommen à la TTIP – hier auf der Staße Bild: dpa

Jugendliche in den verschiedensten Verbänden, Gewerkschafter, Juristen, Naturschützer von reaktionär bis fortschrittlich, Sozialdemokraten, Grüne und Linksparteiler – fast in jeder gesellschaftlichen Gruppe, die auf sich hält, diskutieren Leute über ein Thema, das noch vor Kurzem einem kleinen Expertenkreis vorbehalten war: Freihandelsabkommen.

Und zwar nicht nur in Deutschland. Der Widerstand gegen Abkommen mit den sperrigen Abkürzungen TTIP, Ceta oder Tisa ist die erste echte europäische Protestbewegung. Schön, dass es sie gibt. Das macht Hoffnung auf die längst überfällige Demokratisierung Europas.

Was bei Geheimverhandlungen zwischen der EU, den USA oder und anderen Staaten ausgehandelt wird, droht auf verschiedensten Wegen in die Lebensverhältnisse aller Bürger einzugreifen und den Handlungsspielraum künftiger Regierungen in Europa massiv einzuschränken. Private Schiedsgerichte, die nicht öffentlich tagen, bedrohen rechtsstaatliche Errungenschaften – auch weil keine Revisionsinstanzen vorgesehen sind. Das ist nur ein Detail aus einem unüberschaubaren Regelungswerk, von dem noch lange nicht bekannt ist, was es an beängstigenden Bestimmungen enthält. Diese Ungewissheit bringt die Menschen in Europa in Rage.

Der Widerstand gegen Freihandelsabkommen à la TTIP spielt sich nur zu einem kleinen Teil auf der Straße ab. Noch haben die Kritiker kein Symbol, kein wirklich griffiges Motto gefunden, hinter dem sich die Massen versammeln könnten. Zwar finden in weit über hundert Städten am Samstag Aktionen gegen TTIP etc. statt. Aber es wird sich an den meisten Orten ein überschaubarer Kreis treffen.

Gemessen an herkömmlichen Maßstäben mag die Mobilisierungsfähigkeit der Freihandelsskeptiker deshalb auch von vielen belächelt werden. Das ist aber im Internetzeitalter der falsche Maßstab. Politischer Protest drückt sich heutzutage anders aus als noch in den 1980er Jahren.

Politiker könnte die fehlende Sichtbarkeit des Protests zu dem Missverständnis verleiten, dass es sich um kleine radikale Minderheiten handelt, auf die sie keine Rücksicht nehmen müssen. Auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel laviert in der TTIP-Frage. Er nimmt die Kritiker nicht ernst. Für die SPD könnte das ein äußerst nachhaltiger Fehler sein.

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