Aufrüstung dank Kakao

Das Regierungslager im Bürgerkriegsland Elfenbeinküste schröpft die Kakaobranche – auch um sich Waffen zu beschaffen

von DOMINIC JOHNSON

Wer Schokolade isst, nährt den Krieg in der Elfenbeinküste. Ein undurchsichtiges Geflecht staatlicher Behörden, die Produzenten, Händlern und Exporteuren des Schokoladenrohstoffes Kakao Geld abnehmen, bringt Millionensummen aus dem Kakaoexport in private Kanäle im engsten Umfeld der ivorischen Staatsspitze. Finanziert werden damit unter anderem Militärausgaben. Den Mechanismus dieser Geldflüsse beschreibt ein unveröffentlichter, von der EU in Auftrag gegebener Prüfbericht, der der taz vorliegt.

Der Bericht nennt die Kakaobranche der Elfenbeinküste „ein System illegaler Institutionen“ in einem „Zustand der institutionalisierten Rechtlosigkeit“ und resümiert: „Es handelt sich um die Abdankung des Staates in einem für die ivorische Volkswirtschaft wesentlichen Sektor zum Vorteil privater Interessen, unter Bedingungen, bei denen die Abwesenheit von Transparenz mit der Undurchsichtigkeit der Ziele wetteifert.“

Die Elfenbeinküste ist der größte Kakaoproduzent der Welt, mit einem Anteil von über 40 Prozent der Weltproduktion (siehe Kasten). Doch seit 2002 befindet sich das Land im Bürgerkrieg: Rebellen kontrollierten die Nordhälfte des Landes, Präsident Laurent Gbagbo den Süden, wo sich auch der Großteil der Kakaoplantagen befindet. Und trotz UN-Waffenembargo rüstet das Gbagbo-Lager auf. Neben den Regierungsstreitkräften werden dort parallele „patriotische“ Milizen im Umfeld Gbagbos immer stärker. Sie gelten als Hauptgefahr für den Frieden.

An der Aufrüstung beteiligt sich die Kakaobranche direkt. Schon im November 2005 stellte ein UN-Komitee fest, die Kakaobehörden der Elfenbeinküste – von Vertrauten des Präsidenten geleitet – finanzierten ein Fünftel des ivorischen Militärhaushalts – zehn Milliarden CFA-Franc (15 Millionen Euro) pro Jahr. Details lieferte die UNO damals nicht. Die bringen jetzt die EU-Prüfer: 30 Milliarden CFA-Franc (45,7 Millionen Euro) zahlte 2002–04 der staatliche „Regulierungs- und Kontrollfonds“ (FRC) des ivorischen Kakaosektors als „Friedenslast“ an die Regierung, berichten sie. „Friedenslast“ ist eine Umschreibung für Militärausgaben.

Der FRC, zuständig für die Kontrolle der Kakaoexporteure und die Zentralisierung der Kakaogebühren, ist eine von unzähligen Kakaogremien, die die Regierung Gbagbo seit ihrem Amtsantritt 2000 gegründet hat – sämtlich „ohne rechtliche Grundlage“, wie die EU-Prüfer feststellen. Dazu gehören die Kaffee- und Kakaobörse BCC, die Regulierungsbehörde für Kaffee und Kakao ARCC und der Entwicklungsfonds der Kaffee- und Kakaoproduzenten FDPCC.

Neben der „Friedenslast“ erwähnen die EU-Prüfer auch einen vom FRC verwalteten „Reservefonds“, der aus einer Extragebühr auf Kakaoexporte finanziert wird und theoretisch den Bauern in schwierigen Zeiten helfen soll. Früher bei der westafrikanischen Zentralbank angesiedelt, wurde dieser Fonds so wie alle kakaobezogenen Konten des ivorischen Staates nach Gbagbos Amtsantritt in die ivorische Bank CAA (Caisse Autonome d’Amortissement) transferiert, wobei nach Zeitungsberichten fünf Sechstel des Geldes spurlos verschwanden. Heute heißt die CAA BNI (Banque Nationale d’Investissement) und erhält weiterhin die staatlichen Kakaogebühren der Elfenbeinküste. Sie gilt als „schwarze Kasse“ des Regimes.

All diese Strukturen gingen aus der Privatisierung des ivorischen Kakaosektors Ende der 90er-Jahre hervor. Garantierte Produzentenpreise, staatliche Kakaoreserven – all das gibt es nicht mehr. Das größte ivorische Kakaounternehmen „Sifca“ wurde Teil der US-Gruppe ADM, zusammen mit der US-Firma Cargill heute der wichtigste Käufer ivorischen Kakaos. Nicht zufällig geben sich die Gbagbo-treuen Milizen des Landes heute proamerikanisch. Laut EU-Studie ist der Marktanteil multinationaler Firmen am ivorischen Kakao zwischen 1997 und 2003 von 10 auf 30 Prozent gestiegen, während der einheimischer Kleinunternehmer von 43 auf 10 Prozent zurückging.

Mit konkreten Angaben zu Geldtransaktionen hält sich der EU-Bericht zurück. Denn es gebe bei den geprüften Behörden keine Kontrollen und keine Berichte. Es sei nur klar, dass Gelder abgezweigt würden. „Die Höhe der verfügbaren Einnahmen scheint im Vergleich zu den Aufgaben meistens zu hoch zu sein“, heißt es über die Börse BCC.

Mit der Verschärfung des Krieges nimmt der Geldentzug zu. In der Erntesaison 2004–05 erhoben die diversen offiziellen Stellen von den Bauern Abgaben von insgesamt 54 CFA-Franc pro Kilo Kakao, heißt es im EU-Bericht – ein Fünftel des Produzentenpreises. Dazu kommen dann noch weitere Steuern und Zölle sowie Einnahmen der Milizen an Straßensperren.

Darüber zu recherchieren ist gefährlich. Das EU-Team musste seine Arbeit abbrechen, als sein französisches Mitglied Xavier Ghelber im November 2004 in seinem Hotel in Abidjan von Uniformierten mit dem Tode bedroht wurde. Die Täter erhielten, wie sich anhand ihrer Telefonate herausstellte, ihre Befehle aus dem Präsidentenpalast.