Grüne Wirtschaft

DELIKAT „Dänische Delikatessen“ feiert im Bremer Kriminaltheater als schwarze Komödie mit ökologischem Hintergrund Premiere

Initialzündung für den wirtschaftlichen Durchbruch ist erst das Unglück eines Elektrikers, der über Nacht im Kühlraum vergessen wird

VON ANDREAS SCHNELL

Eigentlich müsste das Stück „Die grünen Schlachter“ heißen. So heißt zumindest der Film des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen im Original, dessen Bühnenfassung am Donnerstagabend im Bremer Kriminaltheater Premiere hatte. Was deutsche Verleiher immer wieder dazu bewegt, die Titel von Filmen zu verändern, nicht selten sinnentstellend, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Immerhin: Der implizite Verweis auf den französischen Klassiker „Delicatessen“ im deutschen Titel erlaubt es dem geschulten Publikum, bei eventueller Menschenfleischallergie zu Hause zu bleiben, denn auch dort wird schon kräftig kannibalisiert.

Zwar fließt auf der Bühne des Kriminaltheaters in der Friesenstraße dann doch das Kunstblut nicht literweise, aber ein paar Schockmomente wie abbe Beine gibt es doch. Zwei Jungmetzger wollen sich selbstständig machen, weil sie ihren alten Chef Holger Holgersson nicht mehr ausstehen können. Die Eröffnung von „Slagtermester Svend & Co.“ hat leider nicht den gewünschten Erfolg. Initialzündung für den wirtschaftlichen Durchbruch ist erst das Unglück eines Elektrikers, der über Nacht im Kühlraum vergessen wird. Svend findet ihn und verfällt in seiner Panik auf den Wahnsinnsgedanken, den Erfrorenen per Filettierung zu beseitigen. Sein Kompagnon Bjarne ist entsetzt, kann Svend aber nicht daran hindern, die Elektriker-Filets als mariniertes Huhn zu verkaufen. Was er höchst erfolgreich tut: Bald will die ganze Stadt Nachschub. Und Svend sorgt dafür.

Fast erwischt es schließlich sogar Bjarnes Freundin Astrid und seinen Bruder, gerade erst aus mehrjährigem Koma erwacht. Bjarne ist seinerseits allerdings auch kein Unschuldslamm. Eigentlich hatte er vor der wundersamen Genesung auf das Erbe spekuliert, das bei Aigils Tod fällig gewesen wäre, und darauf gedrängt, die Maschinen abzustellen, die den Bruder künstlich am Leben hielten.

Auch wenn sich am Ende alles in Wohlgefallen auflöst, gibt es also viel Potenzial für sarkastischen Humor und angenehm wenig Gelegenheit für klare moralische Parteinahme. Lediglich Bjarnes Bruder Aigil, der das Koma nicht ganz unbeschadet überstanden hat, und Astrid gehen in diesem Sinne unbeschadet aus den Turbulenzen hervor. Den Erfolg haben aber trotz zweifelhafter Mittel die beiden Schlachter. Eine Ambivalenz, die schauspielerisch erst einmal getragen werden muss. Was Christian Bruhn als Bjarne ganz exzellent, Guido Maria Kober als Svend gelegentlich etwas zu forciert durchaus gelingt. Und auch das übrige Ensemble macht seine Sache gut, allen voran (wieder einmal) Mateng Pollkläsener unter anderem als zynischer Holgersson und unsympathischer Immobilienmakler. Bernd Lanzke muss gleich sieben Figuren darstellen, setzt aber vor allem als Aigil Akzente, Sissi Zängerle und Erika Best erweisen sich ebenfalls als komödienstark. Was es darüber hinaus für eine gute Komödie noch braucht, ist natürlich vor allem eines: Timing. Ralf Knapp und Perdita Krämer sind da Profis genug, mit wenigen Mitteln in einem raffiniert minimalistischen Bühnenbild (Gisela Brünker) und einer wunderbaren Lichtregie (Anke Thiessen) knapp zwei Stunden lang Spannung aufzubauen – selbst wenn die Handlung ja eigentlich bekannt ist.

Ein bisschen Botschaft gibt’s, ganz unaufdringlich, auch: Eine Kundin, die von Svends Spezialhuhn begeistert ist, mutmaßt: „Das ist bestimmt bio.“ Und Aigil, der alle Tiere liebt, stellt implizit die Frage, ob denn eigentlich nur der Kannibalismus das Verbrechen ist.

■ Heute (Samstag), 20 Uhr, weitere Termine: Freitag, 19. & Samstag, 20. Juli, Freitag, 30. & Samstag, 31. August, jeweils 20 Uhr, Bremer Kriminaltheater, Friesenstr. 16–19