Schöner Schein der Prominenz

KUNST Ein vom rbb herausgegebenes Buch versammelt Kunstwerke aus der Region, die von Promis empfohlen wurden. Eine Mogelpackung, denn die meisten Texte stammen nicht von ihnen selbst, sondern von Journalisten

von ESTHER SLEVOGT

Das Internet treibt manchmal seltsame Blüten. Da hat zum Beispiel rbb-Intendantin Dagmar Reim ein Buch herausgegeben, wo sie einleitend mit blumigen Worten erst den Elbtalauen und hernach einem dort in freier Natur installierten Kunstwerk huldigt. „Das gefällt mir“ ist die Publikation mit Blick auf den Like-Button von Facebook überschrieben. Denn das Buch versammelt Berliner und (ein paar) Brandenburger Kunstwerke, die von 50 Prominenten „geliked“, also empfohlen worden sind, fein säuberlich nach Gattungen sortiert: Architektur, Bildhauerei, Malerei, Video/Installation.

Damit das aber nun bloß nicht zu modern und netzaffin klingt, rudert Dagmar Reim gleich zurück: „Anders als in virtuellen Welten, in denen es mit einem schnellen ‚Like‘-Klick getan ist, müssen, dürfen Sie sich dafür auf die Reise machen.“ Und so ist das ganze Buch. Es steht was anderes drauf, als drin ist.

Thierse als Stichwortgeber

Aber reisen wir erst einmal los. Fünfzig Prominente haben fünfzig Kunstwerke empfohlen. Der jeweils Empfehlende steht immer kleingedruckt ganz oben. Wolfgang Thierse zum Beispiel, der uns das Kloster Chorin nahelegt. Dann schweift der Blick von der leicht Comic-haften Illustration der berühmten Ruine (von Marcus Behrendt) weiter zum Text. Aber da schreibt dann gar nicht Thierse. Stattdessen belehrt uns ein Journalistenduo im Reiseführer-für-Halbgebildete-Sound über die knapp tausendjährige klösterliche Historie.

Und so geht es durchs ganze Buch. Die Promi-Empfehlung liefert bloß das Stichwort für einen kurzen Erklärungstext. Echte Promis kommen auch so gut wie keine zu Wort. Wenn, dann eher Lokalprominenz wie der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz. Der erklärt uns seine Vorliebe für Gottfried Schadows Skulptur von den Mecklenburgischen Prinzessinnen Friederike und Luise, Letztere später als preußische Königin Luise eine Ikone mit Unsterblichkeitsrang: „Ich finde“, sagt André Schmitz, „dass auch die Schönheit einen eigenen Wert hat. In der zeitgenössischen Kunst ist ja die Trashkultur absolut in. Ich bekenne mich als altmodischer Mensch dazu, dass Kunst auch einfach nur schön sein darf.“ Über den Fortgang der Ausführungen des einflussreichsten Kulturpolitikers dieser Stadt möchten wir hier lieber den Mantel des Schweigens ausbreiten.

Von Anekdote zu Anekdote

Gleichzeitig möchten wir vorsichtiges Verständnis für die Entscheidung der Macher dieses Buchs beim rbb bekunden, die sogenannten Promis doch lieber nicht zu Wort kommen zu lassen und stattdessen hauptamtliche Journalistinnen und Journalisten mit dem Verfassen der Texte zu den empfohlenen Werken zu beauftragen. Nur: Viel besser wird’s davon eben auch nicht.

Man blättert sich von Anekdötchen zu Anekdötchen und wünscht sich dann bald doch, statt „IM“ hätte sich im O-Ton lieber Rolf Eden über die von ihm empfohlene Cadillac-Beton-Skulptur von Wolf Vostell am Charlottenburger Rathenau-Platz auslassen dürfen, Klaus Wagenbach über die Köpfe von Andreas Schlüters „Sterbenden Kriegern“ am Zeughaus. Oder Hertha-BSC-Präsident und Facilitymanagementsmogul Werner Gegenbauer über die Büste der Nofretete. Man hätte gern Armin Petras im O-Ton über den Fernsehturm am Alex lesen wollen und gern erfahren, warum der Tempelhofer Lars Eidinger das Hansaviertel empfiehlt.

Frauen übrigens sind nur sehr wenige unter den Empfehlenden. Insgesamt 103 Prominente hätten ihre fünf liebsten Orte und Kunstwerke „verraten“, lesen wir in Editorial Nummer zwei des seltsamen Büchleins. Wenigstens die Originalmails mit den Antworten hätte man uns doch nicht vorzuenthalten brauchen. Lediglich eine, von der Fotografin Alice Springs, ist abgedruckt.

„Die Nennungen legen Spuren, und wir erzählen Ihnen Geschichten, die uns gefallen“, erläutert Bärbel Kicska, Programmmanagerin Wort bei radioeins, das Verfahren. Die Spuren sind ja gut und schön, aber die falschen Geschichten nicht.

■ „Das gefällt mir – Prominente empfehlen 50 x Kunst in Berlin und Brandenburg“. Edition Braus Verlag, 22 Euro