Tschüss, Notbeleuchtung und Schnürboden

„BÜHNE“ Theatergruppen wollen heute überall spielen – nur nicht in den Häusern selbst. Das „Showcase Beat le Mot“ zieht nun temporär vom HAU an das Holzmarktgelände an der Spree. Ein Bericht vom Umzug

Berlin zog dunkel und kalt und etwas uneinsichtig an den Fenstern vorbei

VON RENÉ HAMANN

An das Spanferkel musste ich noch lange denken. Nicht nur, weil ich eigentlich eine private Veggie Week einlegen wollte, die mit dem Spanferkel ihr relativ rasches Ende fand. Sondern auch, weil dieser Abend konsequent auf dieses Spanferkel zugelaufen ist. Die Theatergruppe „Showcase Beat le Mot“ (SBLM) zog aus dem HAU in das selbstgebastelte Theater auf dem Holzmarktgelände an der Spree, sie nennen es „Ding Dong Dom“.

Das Ferkel war dabei der krönende Abschluss; Publikum und Künstler haben in jedem Sinne darauf hin gehungert.

Von vorn: Das Theaterstück, das gespielt wurde, hat im Grunde nur knappe zehn Minuten gedauert. Irgendwann senkten sich im HAU 1 vier Mikrofone, die vor den vier Aktiven des SBLM eine Weile herumbaumelten, bevor ein Meta-Theater-Text über Einstein und das Wesen des Theaters verlesen und dann frei vorgesprochen wurde. Auszug aus dem Haus, weil Haus gleich Theaterlangeweile, also tschüss, Notbeleuchtung und Schnürboden und so weiter.

Die Band Kapaikos – ja, diese immer leicht versoffen wirkende Männermannschaft mit Mandolinen – spielte Wagnerlieder dazu. Und raus ging es Richtung Landwehrkanal, vorbei an den Baugerüsten der allmählich erwachenden Umgegend, vorbei an dem irgendwie sehr bitter wirkenden AOK-Kundenparkplatz gegenüber dem SPD-Haus.

Was folgte, war eine Brückenfahrt. Gefördert durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Senatskanzlei, und dem Hauptstadtkulturfonds saß man dann erst mal zwei bis drei Stunden auf einem geheuerten Mietschiff von „www.schiffskontor.de“ (der Name des Schiffs war nirgendwo auszumachen, nennen wir es mal Eva, weil das ein schöner Name ist) fest.

Berlin zog dunkel und kalt und etwas uneinsichtig an den Fenstern vorbei. Es gab kein Oberdeck auf der Eva, immerhin aber einen „Raucherbalkon“ am Bug. Es war verdammt kalt draußen. Kapaikos servierten Drinks, es gab eine schiffseigene Bar, dazwischen wurden weiter Wagnerlieder -– weil „es ist ja Wagnerjahr“ – und einiges aus dem Kapaikos-Repertoire gespielt. Dummerweise hatte es der Schlagzeuger nicht aufs Boot geschafft, also musste Veit vom SBLM ran und es gab Probleme in der Rhythmussektion.

Hier war jetzt auch Zeit, über ein paar Dinge nachzudenken. Angekündigt war ein Imbiss, auf dem man auf dem Boot vergeblich wartete. Das Bier kostete an Bord 3,50 Euro. Vielleicht, dachte ich, ist das HAU – wie so viele Theater heutzutage – auch von einer Art Selbsthass getrieben: Immer geht es irgendwie raus; es wird in Markthallen, selbstgebauten Kneipen, in Krankensälen, auf verwitterten Funkstationen und sonst wo Theater gespielt, nur in den Häusern nicht.

Und zwischendurch sitzt man in irgendwelchen Transportmitteln, wie hier diesem Schiff, und schlägt Zeit tot oder wird zum Konsum animiert. „Everybody’s building the big ships and the boats / but when Quinn the Eskimo gets here, everybody jump for joy“, dachte ich mit Dylan. Und am Ende wartet „die Zukunft des Theaters“, die dann eher wie eine gespenstische Vergangenheit aussieht.

Wie jede Brückenfahrt musste auch diese mal enden, und sie endete wie angekündigt am Holzmarkt. Erst aber durfte man einer Doppel- und Dreifachperformance zuschauen (während man wegen Hunger und Kälte eigentlich nur noch runterwollte vom Schiff): Eine Frau machte dramatische Gesten, die ihr Alleinsein zur Schau stellten. In einem Uferbungalow, den man einsehen konnte, gestikulierte sie, telefonierte, ging auf und ab.

Die „Tempo Masimo Laboration“ führte derweil einen Geister- oder Schattentanz auf der anderen Spreeseite auf, da, wo das künftige Theater steht. Sehr rustikal, urig, rührend, hippiemäßig, tribal. Mit viel Feuer.

In einem kleineren Boot umkreiste dann der Rest des SBLM die Eva und fackelte mit Lichtern herum, während eine Sängerin mal wieder irgendetwas Wagnerhaftes sang: Der Rhein in Flammen, dachte ich, aber das war doch der falsche Fluss hier!

Das neue Theaterhaus des SBLM sieht dann wie eine zugige Bretterbude aus und erinnert tatsächlich an die unseligen Zeiten der Bar 25.

Die Betreiber der Bar 25 wiederum werden dieses Terrain ab 2015 wieder bespielen. So lange wird die SBLM das Gelände zwischennutzen. Ist noch etwas hinzuzufügen? Ach, das Spanferkel. Das war wirklich gut.