KOMMENTAR VON CHRISTIAN JAKOB ÜBER DIE MILITÄRMISSION VOR LAMPEDUSA
: Egoshooting auf hoher See

Italiens Ziel ist stets dasselbe: die eigene Überforderung in Szene zu setzen

Sicheres Meer“ heißt die Militärmission, mit der Italien ab heute das Seegebiet um Lampedusa stärker überwachen will. Das klingt gut. Die Frage ist nur: Wen will Italien hier eigentlich schützen – wenn nicht zuerst sich selbst?

Um die Flüchtlinge jedenfalls geht es wohl kaum. Die Entsendung von Kriegsschiffen in humanitärem Auftrag suggeriert zwar, es gebe bislang zu wenige Patrouillen auf dem Meer. In Seenot geratene Flüchtlingsboote würden nicht rechtzeitig erreicht und ihre Insassen allein deshalb ertrinken. Das ist aber nicht der Fall.

Der Grenzschutz im Mittelmeer wird seit Jahren militarisiert. Wenn jetzt noch mehr Militärs unterwegs sind, ändert das wenig daran, dass Kriegsschiffe das Sterben nicht aufhalten und auch nie aufhalten sollten. Denn wenn es Italien wirklich um ein sicheres Meer für alle ginge, würde es als Erstes die Seenotrettung durch Fischer und andere Seeleute wieder legalisieren. Ein Konsens für diese Legalisierung ist nicht in Sicht.

Das Problem liegt aber nicht nur in Rom allein. Seit Jahren verteidigen Länder wie Deutschland das unfaire europäische Verteilungssystem für Flüchtlinge. Die südlichen EU-Staaten bleiben mit lebenden und toten Flüchtlingen weitgehend sich selbst überlassen. Das wirtschaftlich abhängige Italien, ebenso wie Malta, Zypern oder Griechenland, kann sich dagegen kaum wehren.

Die wenigen Hebel, die bleiben, gehen direkt zu Lasten der Flüchtlinge. Als nach dem Arabischen Frühling die Zahl der Migranten in Italien stieg, rief das Land den Notstand aus und behandelte die Ankömmlinge wie eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Heute will es Flugzeugträger in Bewegung setzen. Das Ziel ist stets dasselbe: die eigene Überforderung in Szene zu setzen, um Druck auf die EU aufzubauen.

Seit der Katastrophe vor Lampedusa fordert Italiens Regierung, Europa müsse endlich handeln und Rom unterstützen – und hat dies auch beim nächsten EU-Gipfel in der kommenden Woche auf die Tagesordnung gesetzt. Die neue Militärmission ist vor allem ein diplomatisches Manöver, um dann dort in Sachen Asylpolitik endlich Zugeständnisse von den nördlichen Partnerländern zu bekommen. Und die sind, in der Tat, überfällig. Denn solange Europa keinen legalen Zugang öffnet, wird die italienische Marine auch in Zukunft vor allem Leichen aus dem Mittelmeer fischen.