Tauziehen um umgedrehte Kommode

Derzeit ist auf dem Stadtwerder noch Bremens Notfall-Wasserversorgung untergebracht: 1,7 Millionen Liter Wasser in 39 Metern Höhe. Seit sechs Jahren verhandeln Stadtplaner und Investoren, wie man die „grüne Oase“ um die Kommode herum mit Wohnungen und Ausflugs-Gastronomie nutzen könnte

von Klaus Wolschner

Die „umgedrehte Kommode“ auf dem Stadtwerder ist eines der markantesten Bauwerke Bremens. Der Architekt Johann-Georg Poppe hat den Wasserturm 1913 gebaut, von dem auch die Villa Ichon stammt. Seit Jahren steht der Wasserturm leer – hat aber doch noch eine wichtige Funktion: Falls einmal die Wasserpumpen der Stadtwerke ausfallen, dann würde die Notfallversorgung aus dem Turm passieren. Aus 39 Metern Höhe würde das Wasser herunterstürzen und den nötigen Druck aufbauen, maximal eine Stunde könnte Bremen mit dem Wasser auskommen, denn 1,7 Millionen Liter fasst der große Wasserspeicher oben in dem Turm, dann müssen die Ersatzpumpen laufen.

In Wirklichkeit ist dieser Fall in den letzte Jahren nicht mehr aufgetreten. Die Stadtwerke könnten also verzichten auf den alten Turm, könnten die Notfall-Funktion moderner planen. Und der Stadtwerder wäre eine prima Fläche für die Stadtentwicklung.

Aber die Stadtwerke wollten immer nicht ihre Flächen auf dem Stadtwerder verkaufen. rund um den Turm herum sind große Tanks, viele Rohre in der Erde, die Fläche baureif zu machen wäre teuer. Und um den Wassertank aus dem Turm heraus zu schweißen, müsste auch mehr Geld aufgebracht werden als die Immobilie wert ist. Also ist damit kein Geschäft zu machen.

Dass die SWB den Stadtwerder doch aufzugeben bereit waren, hängt mit einem anderen Geschäft zusammen: Als Ende der 90-er Jahre die Stadt ihre Wasserversorgung privatisieren wollte, da hatte sich Henning Scherf in den französischen Bieter General des Eaux verliebt. Der Hintergrund der Liebe war schlichter Mammon: Die Franzosen wollten 20 Millionen Mark an die Internationale Universität (IUB) spenden.

Da mussten die Stadtwerke Bremen schon etwas anderes in die Waagschale legen – eben die Zusage, den Stadtwerder frei zu geben. Es gab ein Foto, auf dem auch der heutige Bausenator Ronald-Mike-Neumeyer (CDU) zu sehen war, und damit war die Idee in der Welt. Jahre vergingen, die Verhandlungen waren zäh. Immerhin im Dezember 1999 passierte die Ausschreibung der Wohnungsbau-Flächen, bundesweit, drei Bremer Firmen meldeten sich, bis heute gibt es keine Entscheidung.

Für die Kommode gab es nur einen Investor, den Wirtschaftsprüfer Sven Gläss. Dessen Architektenentwürfe haben das Auge des Bremer Stadtplanungsamtes provoziert: Er will zwei Schachtel-ähnliche Kisten auf das Dach bauen, für die Gastronomie. Das erste Konzept hatte der Bremer Architekt Michael Schomers gemacht. Die Wohnhäuser sollen vier Stockwerke hoch, aber freistehend sein – damit die Sonne je nach Tageszeit von allen Seiten scheinen und der Blick ins Grüne rundherum möglich ist. Auch für die „Kommode“ mit der – vom Beirat Neustadt geforderten – öffentlich zugänglichen Gastronomie auf dem Dach – hatte Schomers Pläne: „Wir hatten zwei Dach-Entwürfe, die dem Denkmalpfleger gefallen würden“, sagt er. Aber das Konzept von Schomers hätte die Stadt zehn Millionen und mehr an Zuschüssen gekostet. Der Bauunternehmer Klaus Hübotter hatte ein Sparmodell vorgelegt: Er würde die Kommode mit wenig Geld zurückhaltend umbauen – aber nur, wenn zum Beispiel die Architektur-Studenten, als ein staatlicher Mieter mit langfristigen Verträgen einziehen würde.

So hängt derzeit alles an dem Wirtschaftsprüfer Gläss. Der Platz sei „eine Oase“, für Bremen, eine „wahnsinnige Chance“, sagt Schomers – und hofft, dass Gläss und seine Architekten sich mit den Stadtplaners bald einigen.

Das wäre aus einem anderen Grund wichtig. Die Amtszeit des SWB-Chefs Gerhard Harder endet im Juli. Ob ein Nachfolger aus Holland Verständnis hat für Bremensien, weiß niemand. Wenn jetzt nicht eine Lösung gefunden wird, könnte das ganze Projekt scheitern, sagen Insider. Denn die Zusage der SWB von 1999, dass sie den Stadtwerder hergeben würden, ist in den Verträgen mit der großen staatlichen Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) nicht wasserdicht juristisch festgeschrieben.

Die SWB könnte also die Lust an der alten Zusage verlieren, Ausreden gäbe es viele, ihre Gewinne mit Hansewasser wären nicht mehr tangiert. Und dass der Bausenator Ronald-Mike Neumeyer auf seine alte Firma, bei der er bis vor wenigen Wochen Prokurist war, Druck ausüben oder gar einen Prozess gegen die SWB riskieren würde, scheint eher unwahrscheinlich.