Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Dramen suchen sich momentan andere Bühnen als die herkömmlichen Bretter, die die Welt nur noch im Wunschdenken einiger Theatermohikaner bedeuten. Nehmen wir König Fußball, der momentan das Aufmerksamkeitspotenzial derart absorbiert, dass sogar die Theater die Anfangszeiten ihrer Vorstellungen mit denen der Spiele koordinieren. Oder König Castorf, der mal wieder einen Minister (beziehungsweise Chefdramaturgen) in den Orkus schickte, weshalb sich nun die Lobbyisten Wortwechsel liefern: „Poststalinistisches Schmierentheater!“, wettert der Direktor des Instituts für Medien- und Kulturmanagement, Klaus Siebenhaar, der ursprünglich in der Volksbühne am 1. Juli einen Kongress zu dem weltbewegenden Thema „Die Neue Nähe – Kultur, Medien und Politik im Netzwerkzeitalter“ veranstalten wollte. Mit dem gekündigten Chefdramaturgen als Referenten, was nun aber von der Volksbühne nicht mehr gewünscht wird, weil der in Ungnade gefallene Stefan Rosinski das Haus scheint’s nicht mehr betreten darf. Und da denkt man, diese Leute wären erwachsen. Vorschlag: Man schickt Castorf und Rosinski gemeinsam in ein Strafbataillon zu Rolf Hochhuth, um im Theater am Schiffbauerdamm mit Fachkräften wie Johannes Heesters und Caroline Beil Ende Juli Hochhuths jüngsten dramatischen Schrei, „Inselkomödie“, herauszubringen. Was sich sonst auf den Berliner Bühnen tut? Im HAU 2 gastieren von Mittwoch bis Samstag der Schweizer Theatermacher Tomas Schweigen und seine Truppe Far A Day Cage mit der viel gelobten Mammutperformance „Der Pate I–III“. Und wer Fußball in kulturnahem Ambiente erleben will, kann auf der schönen Spreeterrasse im Radialsystem die wichtigsten WM-Spiele verfolgen. Public Viewing heißt das heutzutage. Als wäre Theater nicht schon immer Public Viewing gewesen.

■ „Der Pate I–III“: HAU 2, Mi.–Sa.

■ Ausgewählte WM-Spiele: Radialsystem, www.radialsystem.de