Senat wechselt die Bettwäsche

Der neue Krankenhausplan sieht weitere Bettenstreichungen bei den 48 Kliniken vor. Dennoch lobt der Senat die „neue Philosophie“ des Werkes. Ein Beipackzettel für das Krankenhausdickicht

von ULRICH SCHULTE

Was ist ein Krankenhausplan? Im Krankenhausplan regelt die Gesundheitsverwaltung, wie sie sich die Krankenhauslandschaft der Stadt vorstellt. Die jetzt vorgelegte Aktualisierung gilt bis 2008. Sie stelle eine „neue Philosophie“ dar, prahlt die Behörde.

Schrumpft das Angebot der Kliniken? An der Bettenzahl gemessen: ja. Derzeit stehen in 48 Krankenhäusern 21.160 Betten. Im Jahr 2008 sollen es nur noch knapp 20.300 sein. Eigentlich hält der Senat nur 19.500 für nötig. Der Puffer von 800 Betten soll peu à peu abgeschmolzen werden. Der landeseigene Klinikkonzern Vivantes und die Charité haben schon angekündigt, dies umzusetzen.

Haben die Krankenhäuser die Bettenzahl in den letzten Jahren nicht schon stark verringert? Stimmt. Nach der Wende hatte Berlin auch bei den Krankenhäusern das bekannte Problem der Doppelstrukturen. Aber das ist Vergangenheit, sagt Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse. Rechnet man ein, dass viele Menschen aus dem Umland hier behandelt werden, halten die Berliner Kliniken 55 Betten je 10.000 Einwohner vor. „Damit erreicht Berlin bei der Bettendichte bundesweit den niedrigsten Wert.“

Wird der Patient durch die Kürzungen schlechter versorgt? Wahrscheinlich nicht. Die Gesundheitsverwaltung sieht die Versorgung „in hoher Qualität sichergestellt“. Ginge es nach den Krankenkassen, müssten die Kliniken noch mehr Betten lassen. Die Planung sei nicht mutig genug, kritisieren mehrere private und öffentliche Kassen. Kein Wunder: Sie überweisen den Kliniken Fallpauschalen für jeden behandelten Patienten.

Was spart das Land durch die Neuerungen? Das weiß die Gesundheitsverwaltung nach eigener Aussage nicht. Schließlich müssten für eine Prognose Zahl der Fälle und Liegezeiten der Patienten konstant bleiben, sagt Schulte-Sasse – was sie natürlich nicht tun. In den 80ern lag ein Patient im Schnitt 20 Tage im Krankenhaus, inzwischen sind es nicht mal mehr neun Tage.

Hm. „Neue Philosophie“ hätte ich mir toller vorgestellt. Geht es nur um Kürzungen? Nein. Total stolz ist die Gesundheitsverwaltung zum Beispiel darauf, wie der Krankenhausplan entstanden ist. Erstmals durften nämlich die Krankenkassen bei der Formulierung mitreden – also die Kostenträger, die das Geld der Beitragszahler verwalten und die Kliniken bezahlen.

Aber das sollte doch selbstverständlich sein. Stimmt eigentlich. Aber das ist ja auch noch nicht alles. Glaubt man Staatssekretär Schulte-Sasse, ist der Behörde eine Art Revolution im Gesundheitsbereich gelungen. Sie hat die Kliniken überredet, Zahlen über Tumorerkrankungen rauszurücken.

Und was haben die Patienten davon? Es handelt sich im Prinzip um ein Klinik-Ranking. In den Diagrammen ist nämlich aufgeschlüsselt, wie oft eine Klinik eine bestimmte Krebsart, zum Beispiel Magen-, Darm- oder Prostata-Krebs, im Jahr behandelt. Wer an einem Lungentumor leidet, kann nachsehen, welches Krankenhaus diesen Tumor oft operiert. Über die tatsächliche Qualität der Operation sagt die Erhebung nichts aus; diese Daten behalten die Häuser für sich. Schulte-Sasse sagt aber: „Wenn zum Beispiel ein Haus beim Dickdarmkrebs nur sechs Eingriffe jährlich macht, gibt es dort mit Sicherheit ein Qualitätsproblem.“

Wie komme ich an diese Informationen? Die Gesundheitsverwaltung will den Plan – samt der Tumordiagramme – ins Internet stellen (www.berlin.de/sengsv/index.html) – allerdings erst, wenn ihn das Abgeordnetenhaus beschlossen hat. Das könnte noch vor der Sommerpause passieren.

Was ändert sich noch? Die Häuser können flexibler wirtschaften. Bisher war genau festgelegt, wie viele Betten die Kliniken in welcher Abteilung vorhalten müssen. Künftig dürfen die Verwaltungen dies in gewissen Grenzen ändern. Ein Beispiel: Hat ein Krankenhaus bisher 300 Betten in der Chirurgie und 300 in der Inneren Medizin, kann es künftig zehn Prozent der Plätze einer Abteilung anders belegen. Also zum Beispiel mehr Chirurgie-Betten anbieten, wenn sich Blinddarmdurchbrüche häufen. Außerdem will die Senatsverwaltung, dass die Kliniken Kompetenzen bündeln – und notfalls abgeben.

Will heißen? Im Jahr 2003 sei jeder fünfte Patient mit einem akuten Herzproblem nicht in der zuständigen kardiologischen Fachabteilung gelandet, sagt Schulte-Sasse – obwohl in ganz Berlin genug Plätze vorhanden sind. Künftig soll die kleine Klinik in der Nachbarschaft sofort überweisen. Das bedeutet, dass sich manche Häuser spezialisieren. Acht Krankenhäuser sollen zum Beispiel Therapieformen in der Gefäßmedizin bündeln.