Streit um Aufgaben europäischer Behörden

BRÜSSEL Rat, Parlament und Kommission uneins über eine effektive Überwachung des Binnenmarktes

■ Im US-Senat steht offenbar die Mehrheit für eine Verabschiedung des Gesetzes zur Reform des Finanzsektors in den USA. Der republikanische Senator Scott Brown kündigte seine Unterstützung für das Reformprojekt von US-Präsident Barack Obama an. Das Gesetz sei zwar nicht perfekt, erklärte Brown, aber es werde helfen, eine erneute Finanzkrise zu verhindern und die Verbraucher zu schützen. Er werde für die Vorlage stimmen, weil sie zudem nicht die Einführung neuer Steuern vorsehe. Im Ringen um einen Kompromiss hatte die demokratische Mehrheit im US-Kongress eine milliardenschwere Bankenabgabe aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Vor Brown hatte bereits die Republikanerin Susan Collins ihre Zustimmung im Senat signalisiert, womit die erforderliche Mehrheit gesichert scheint. (afp)

BRÜSSEL taz | In die Beratungen der europäischen Finanzminister platzte gestern in Brüssel die Nachricht, dass die Ratingagentur Moody’s Portugals Kreditwürdigkeit herabgestuft hat. Ratingagenturen seien oft Teil des Problems, nicht der Lösung, kommentierte Währungskommissar Olli Rehn. Und sein Binnenmarktkollege Michel Barnier ergänzte: „Wenn wir funktionsfähige europäische Überwachungsbehörden haben, kann auch die Arbeit der Ratingagenturen besser überwacht werden.“ Ein zweiter Schritt sei es, sich von den amerikanischen Agenturen unabhängiger zu machen und eine europäische Einrichtung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Ländern zu schaffen.

Die EU hat sich im Rahmen der G-20-Verhandlungen verpflichtet, die Finanzüberwachung im Binnenmarkt zu verbessern. Im Herbst 2009 schlug die EU-Kommission vor, einen Risikorat zu gründen, der Krisen wie jüngst bei den Immobilienkrediten rechtzeitig erkennen und Empfehlungen aussprechen soll. Das Gremium soll an die Europäische Zentralbank angebunden sein. Außerdem sollen drei neue Behörden die Entwicklung im Bankensektor, beim Wertpapierhandel und den Versicherungen beobachten und bei grenzüberschreitenden Unternehmen das letzte Wort haben.

Doch die Vorstellungen der Mitgliedstaaten über die Rechte der neuen europäischen Behörden liegen noch weit auseinander. Vor allem Großbritannien und Tschechien wollen deren Einfluss möglichst gering halten. Das EU-Parlament hingegen verlangt, dass aus der Finanzkrise Konsequenzen gezogen werden. Die neuen Überwachungsagenturen für Banken, Börsen und Versicherungen sollen zum Beispiel die Abwicklung einer Bank anordnen können, wenn sich nationale Behörden nicht einigen können oder ein Notfall besteht. Als toxisch eingestufte Finanzprodukte sollen sie verbieten können. Die Abgeordneten fordern, die neuen Agenturen in räumlicher Nähe der Europäischen Zentralbank in Frankfurt anzusiedeln. Die Mitgliedstaaten wollen aber klassischem zwischenstaatlichen Interessenausgleich entsprechend den Sitz der Bankenaufsicht in London, die Börsenaufsicht in Paris und die Versicherungskontrolleure in Frankfurt ansiedeln.

Vergangene Woche entschied sich in Straßburg eine große Mehrheit des Plenums dafür, die erste Lesung des Gesetzespakets zu verschieben. Zuvor waren Vermittlungsgespräche zwischen Rat und Parlament gescheitert. Das Europäische Parlament will aber die Tür zum Verhandlungszimmer über den Sommer offen halten. Kommt doch noch eine Einigung zustande, könnte in der Septembersitzung im verkürzten Verfahren abgestimmt werden. Das ist die einzige Chance, den Zeitplan einzuhalten und die neuen Behörden zum 1. Januar 2011 einzurichten. Finanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich gestern zuversichtlich. „Wir haben ein neues Mandat beschlossen, das nach unserer Überzeugung eine wirklich gute Chance bietet, dass man sich im Grundsatz schnell und in den Details während der Sommerpause einigt.“

Heute treffen sich Vertreter von Rat, Parlament und Kommission erneut in Brüssel, um auf Grundlage eines neuen Verhandlungsangebots der Finanzminister weiter zu verhandeln. Seit am 1. Juli Belgien die Ratspräsidentschaft übernommen hat, ist neuer Schwung zu spüren. Ein Verhandlungsteilnehmer aus den Reihen des Parlaments sagte der taz: „Die Belgier sind wesentlich verbindlicher – es fragt sich nur, ob sie sich im Rat durchsetzen können.“ DANIELA WEINGÄRTNER