Sex, Lügen und Futter

KOMÖDIE Klimbim-Ikone Ingrid Steeger spielt in Bremen Theater. Dabei enthält „Gatte gegrillt“ unter der Boulevard-Oberfläche interessante Beobachtungen zur Liebe

Unter der pointierten Oberfläche erzählt das Stück, wie jede gute Komödie, mehr als seine Oberfläche

VON ANDREAS SCHNELL

Ingrid Steeger? In Bremen? Gibt’s die noch? Die Frau, die einmal der Süddeutschen Zeitung erzählte, Klimbim-Regisseur Michael Pfleghar habe damals die Komik aus ihr „herausgeprügelt“? Das Sexsymbol? Die Frau, die vor ein paar Jahren mit nichts dastand und von Hartz VI lebte? Nun, das können Sie alles ohne Weiteres im Internet lesen und sehen, auch die Sache mit Schlingensief – wenn Sie es nicht eh schon kennen.

Und vielleicht haben Sie auch mitbekommen, dass sie nun wieder spielt, nicht zuletzt ein Verdienst des Bremer Theatermoguls Knut Schakinnis, der Steeger noch aus der Zeit vor ihrem Absturz kennt und ihr zu einem Comeback verhalf, das mittlerweile deutlich über das halbe Dutzend Theater des Theaterschiff-Mannes hinausreicht.

Am Donnerstag nun feierte sie Bremen-Premiere mit „Gatte gegrillt“, ein erprobtes Stück in erprobter Inszenierung, die bereits in Kassel und Worpswede zu sehen war.

Gewiss, „Gatte gegrillt“ von Debbie Isitt, im Original: „The Woman Who Cooked Her Husband“, ist eine Boulevardkomödie – und wenn man britischen Komödien immer eine gewisse Schwärze nachsagt, ist die Regie von Erik Voß zumindest eher hell- als dunkelschwarz. Aber unter der pointierten Oberfläche erzählt das Stück, wie jede gute Komödie, mehr als seine Oberfläche.

Der Plot ist schlicht: Hilary (Ingrid Steeger) wird von ihrem Mann Kenneth (Jens Asche) nach zwanzigjähriger Ehe zugunsten der deutlich jüngeren Laura (Juliette Groß) verlassen. Allerdings dauert es bis zur Trennung ein Weilchen. So sehr der in die Jahre gekommene Party-Löwe Kenneth die erotischen Vorzüge seiner neuen Liebschaft zu schätzen weiß, so wenig möchte er auf die hausfraulichen Qualitäten seiner Gattin verzichten – kochen nämlich kann Laura nicht. Weshalb er nur zu gern das Angenehme mit dem Erfreulichen verbindet. Das geht natürlich nicht ohne ein gerüttelt Maß an fadenscheinigen Lügen – und geht deshalb auf Dauer nicht.

All das erzählt Isitt in einer cleveren Abfolge aus Rückblenden, eingebettet in ein Abendessen, das Hilary dem Pärchen anlässlich dessen dritten Hochzeitstags gibt. Wobei die Auflösung schon im Titel verraten wird. Interessanter also die Ausgestaltung der Konfliktlage, in der der totalitäre Anspruch an die Liebe eine zentrale Rolle spielt. Laura mag das Spiel schon bald nicht mehr mitspielen, sondern verlangt den ganzen Mann. Hilary beschwört ihrerseits – am Ende dann, wenn auch verspätet ganz wörtlich – den Eheschwur „bis dass der Tod euch scheidet“, und auch Kenneth bekommt nicht, was er will: Eine Frau, die ihm sowohl das Gefühl gibt, ein toller Hengst zu sein, als auch die reproduzierende Funktion der Hausfrau spielen kann.

Was durchaus ein erhellendes Licht darauf wirft, wie die umfassenden Ansprüche auf den anderen in der „romantischen Zweierbeziehung“, die trotz aller Debatten um sexuelle Befreiung, Selbstbestimmung und Polyamorie nach wie vor die Norm ist, dem Ideal von der Liebe stets in die Quere kommen. Dabei sollen sie genau jenes doch eigentlich gewährleisten. Insofern ist „Gatte gegrillt“ ebenjene viel beschworene „gute Unterhaltung“, die sich gerade nicht darauf beschränken soll, gut zu unterhalten. Sondern die die ebenfalls viel beschworenen Denkanstöße liefert, während sie zugleich ohne deren Zurkenntnisnahme funktionieren muss – zumindest, wenn sie gut gemacht ist.

Das Packhaus-Theater bietet in diesem Sinn nicht eben viel Gelegenheit, für großen Theaterzauber zu spielen. Erik Voß setzt deshalb auf eine gewitzte Lichtregie, die dem kleinen Bühnenraum erstaunlich viele Spielebenen abgewinnt: Hinter durchsichtigen Plastikfolien liegt das Reich der Hausfrau, und der lange Esstisch vorn wird mit wenigen Handgriffen zum Liebesnest des jungen Glücks umfunktioniert, Spots teilen die Monologe ab, in denen die drei Figuren räsonieren, und manchmal gar verschränken sich die Orte ineinander. Jens Asche überdreht seine Rolle ein wenig zu oft zu stark, wodurch sein Kenneth zwar umso großkotziger wirkt, allerdings kaum nachvollziehbar ist, was Laura eigentlich an ihm findet. Juliette Groß neigt ihrerseits ebenfalls ein wenig dazu, die Zicken ihrer Figur zu sehr auszuspielen. Ingrid Steeger indes spielt ihre Rolle souverän, mit den nötigen Zwischentönen, die ihren Weg vom düpierten Heimchen am Herd zum durchtriebenen Racheengel plausibel machen. Am Ende solidarisiert sie sich mit der Konkurrentin – ein bisschen Geschlechterkampf ist die Liebe in der bürgerlichen Gesellschaft schließlich auch und immer noch.

■ weitere Vorstellungen: Samstag (heute), Donnerstag und Freitag, 20 Uhr, Packhaus-Theater