: Harmonisch zum Titel
Die Leverkusenerin Steffi Nerius ist erneut deutsche Meisterin im Speerwurf – trotz erstarkter Konkurrenz
ULM taz ■ Wie sie sich mit ihrer Konkurrentin Steffi Nerius denn verstünde, wurde Christina Obergföll, die Vizeweltmeisterin mit dem Speer, am Samstag bei den deutschen Meisterschaften in Ulm gefragt. „Super! Oder Steffi, wir verstehen und doch gut“, leitete Obergföll die Frage munter an die Leverkusenerin weiter. „Ja, super“, gab diese irritiert-genervt zurück.
Ob Steffi Nerius die fast zehn Jahre jüngere Konkurrentin, die so plötzlich da war und mit ihrem 70-Meter-Wurf bei den Weltmeisterschaften 2005 in Helsinki Nerius großen Traum vom deutschen Rekord zerstörte, wirklich so gerne mag wie sie angibt, bleibt Interpretationssache. Obergföll hat ein derart fröhliches Wesen, dass Nerius, ihrerseits selbst eine meist strahlende Athletin, ihr mit Sicherheit nichts Böses will. Für den Wurfstil der Offenburgerin hat Nerius aber nicht mehr als ein Kopfschütteln übrig. Technisch viel zu unsauber und zu unkonstant sei Obergfölls Art. „Wir werfen krass unterschiedlich. So wie Christina, könnte ich gar nicht werfen. Ich weiß lieber, dass ich konstant werfe und nicht in der Qualifikation rausfliege. Christina kann dafür auch mal plötzlich sechs Meter draufpacken“, bilanziert Nerius.
Dass sie nach dem Karriereende von Tanja Damaske in Oberg–föll nun wieder Konkurrenz im eigenen Land hat, ist Nerius aber gerade Recht. „Vor allem wenn man gewinnt ist es schön, wenn noch jemand da ist, der auch weit werfen kann“, sagt Nerius und lacht. Mit 65,71 Metern hat die 34-Jährige sich in Ulm ihre fünfte deutsche Meisterschaft gesichert. Obergföll wurde mit 64,07 Metern Zweite. Zusammen werden die beiden im August zu den Europameisterschaften nach Göteborg fahren (7. bis 13. August). Dort will Nerius, deren Karriere sich langsam gen Ende neigt, noch mal groß auftrumpfen. „Ich bin ganz zuversichtlich. Ich war ja verletzt und habe fünf Wochen keinen Speer geworfen. Aber zuletzt habe ich mich von Wettkampf zu Wettkampf um einen Meter gesteigert. Zwei Wettkämpfe sind es noch bis Göteborg – das passt“, rechnet die Olympia-Zweite von Athen, die schon seit 15 Jahren zur Weltspitze gehört.
Ihr großes Ziel, den deutschen Rekord, der vor Helsinki bei 66,91 Metern lag und durch Obergfölls Extrem-Ausreißer plötzlich auf 70,03 Meter schnellte, hat Nerius noch nicht aus den Augen verloren. „65 Meter kann ich immer abrufen. Und ein bisschen was kann ich schon auch noch draufpacken“, gibt sich Nerius optimistisch. Sollte der Titel in Göteborg unter 70 Metern weggehen, wäre dies aber auch im Sinne von Steffi Nerius. „Grundsätzlich will ich den deutschen Rekord immer noch verbessern. Aber der EM-Titel wäre schöner“, sagt sie.
ALEXANDRA KIEßLING