Jeder darf Obdachlosen helfen

JOB FÜR BURSCHENSCHAFTLER

Die Bürgerhilfe hat jetzt einen Vorteil vor konkurrierenden Hilfseinrichtungen

Darf ein Mitglied der Burschenschaft Gothia eine Hilfseinrichtung für Obdachlose leiten? Warum eigentlich nicht? Michael Büge wurde als Staatssekretär für Soziales vor neun Monaten gefeuert, weil er seine Mitgliedschaft in der Gothia nicht aufgeben wollte. Es gibt auch gute Gründe, eine Entlassung von Burschenschaftlern aus so herausgehobenen öffentlichen Ämtern richtig zu finden. Aber wenn er jetzt Obdachlosen helfen will – was spricht dagegen?

Problematisch ist der neue, in dieser Woche bekannt gewordene Job bei der Bürgerhilfe ganz unabhängig von der Burschenschaftsfrage aus einem anderen Grund: Weil Büges alter Arbeitgeber darüber entscheidet, wie viel Geld Büges neuer Arbeitgeber für die Obdachlosenbetreuung bekommt. Und weil Büge selbst als Geschäftsführer voraussichtlich für die Geldverhandlungen zuständig sein wird – in der Vergangenheit jedenfalls war es bei der Bürgerhilfe üblich, dass der Geschäftsführer persönlich die Vereinbarungen mit der Sozialverwaltung abgeschlossen hat.

Büge kann in seinem neuen Job also Insiderwissen und -kontakte aus seinem alten Job gut gebrauchen. Wenn es um die Verteilung der begrenzten staatlichen Gelder geht, hat die Bürgerhilfe dann einen Vorteil vor konkurrierenden Hilfseinrichtungen. Büge reiht sich damit ein in die Liste der Wechsler von der Politik in die Wirtschaft. Ehemalige Mitarbeiter des Kanzleramtes zum Beispiel zog es zu Daimler (Eckard von Klaeden), zum Lobbyverband der Energie- und Wasserwirtschaft (Hildegard Müller), zur Deutschen Bahn (Ronald Pofalla) oder zur Gazprom-Pipeline Nord Stream (Gerhard Schröder).

Und vielleicht gehört auch Kulturstaatssekretär André Schmitz dazu, der in dieser Woche zurücktrat, nachdem öffentlich bekannt wurde, dass er Steuern hinterzogen hat. Vielleicht hat ja bald eines der Opernhäuser einen neuen Geschäftsführer. SEBASTIAN HEISER