Urlaub machen, wo andere sich ausbeuten
PROTEST Ehemalige Angestellte eines Hostels in Mitte demonstrieren gegen Lohndumping
„Für euch ist es Urlaub – für uns ist es Ausbeutung“ stand auf einen großen Schild, das am Samstagnachmittag auf einer Kundgebung vor dem Hostel Amadeus in der Brunnenstraße 70 getragen wurde. Rund 70 TeilnehmerInnen – ehemalige Beschäftigte des Hostels und deren UnterstützerInnen – protestieren dort gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen in dem Hostel.
„Ich arbeitete täglich etwa acht Stunden an sechs Tagen in der Woche. Und am Monatsende erhielt ich für die Arbeit 100 Euro,“ sagte ein ehemaliger Beschäftigter gegenüber der taz. Auch Nathan Letore aus Frankreich, zunächst zu Besuch in Berlin, landete im Amadeus-Hostel: „Wir suchten ein Zimmer, und im Hostel sagten sie uns, wir könnten hier leben und arbeiten.“ Auch James aus Schottland kam so zu einem Job mit viel Arbeit und geringem Lohn: Er habe dort drei Monate für einen Stundenlohn von 0,65 Cent gearbeitet, berichtet er der taz.
Eine Frau, die mehrere Wochen an der Rezeption des Hotels gearbeitet hat, berichtet, dass sie von der Geschäftsführung beauftragt wurde, an TouristInnen aus Bulgarien, Rumänien und Israel keine Zimmer zu vermieten.
Mit einem Rundgang durch das Hostel endete die Kundgebung. Die TeilnehmerInnen waren überrascht, dass alle Türen offen und kein Mensch in dem Hostel war. Sie klebten Protestplakate an die Wände und befestigten an einem Fenster ein Transparent mit der Parole „Geld her“. Mehrere der ehemaligen Beschäftigten wollen ihre Lohnforderungen juristisch einklagen.
„Mit der Kundgebung sollen nicht die Arbeitsbedingungen im Amadeus-Hostel, sondern auch die Praktiken der Jobcenter öffentlich gemacht werden“, meinte Gitta Schulz von der Erwerbsloseninitiative Basta, die die Kundgebung unterstützte. Beschäftigte ohne Arbeitsvertrag würden von den Jobcentern nicht als AufstockerInnen anerkannt und seien so gezwungen, von den geringen Löhnen zu leben.
Die Initiative bekommt die Dringlichkeit des Problems zu spüren. „Immer mehr Menschen aus verschiedenen Ecken Europas kommen in unsere Sozialberatung“, berichtet Schulz. Auch die ehemaligen Amadeus-Beschäftigten nutzen die Basta-Räume zur Vorbereitung der Kundgebung.
Die Basisgewerkschaft FAU, die ebenfalls die Kundgebung unterstützte, will in der nächsten Woche vor verschiedenen Berliner Hostels an Beschäftigte Fragebögen über die Höhe der Löhne und die Arbeitsbedingungen verteilen. Sie hält die Zustände bei Amadeus für keinen Einzelfall. Die Geschäftsführung des Hostels gab bisher keine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. PETER NOWAK