Hisbollah gibt Marschrichtung vor

Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah will die Kampfhandlungen erst einstellen, wenn der letzte israelische Soldat Libanon verlassen hat. Das macht die Waffenruhe brüchig

BEIRUT taz ■ Den Nachrichten-Agenturen war die Reaktion des Hisbollah-Chefs auf die Resolution des UN-Sicherheitsrates erwatungsgemäß eine Eilmeldung wert. Um 16.52 Uhr meldete Reuters: „Nasrallah sagt, Hisbollah habe das Recht, israelische Einheiten zu bekämpfen, solange diese libanesisches Territorium besetzt hielten.“ Vier Minuten später waren es die US-amerikanischen Kollegen von Associated Press (AP), die über die Zustimmung des Generalsekretärs der „Partei Gottes“ zur UNO-Sicherheitsratsresolution 1701 berichteten: „Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah hat sich zustimmend zu der Libanon-Resolution des Weltsicherheitsrats geäußert.“ Damit hatte der Generalsekretär der Hisbollah die erst am Abend folgende Zustimmung des libanesischen Kabinetts zu der UN-Resolution praktisch vorweggenommen.

Auf dem von Hisbollah-Geldern finanzierten Sender al-Manar präzisierte der seit Kriegsbeginn vor fast fünf Wochen untergetauchte 46-jährige Nasrallah die Haltung seiner Bewegung: „Sobald es eine Einigung über eine Einstellung der so genannten militärischen Operationen oder der aggressiven Operationen“ gebe, werde „sich der Widerstand ohne zu zögern daran halten“. Auch die in der UNO-Sicherheitsratsresolution beschlossene Verstärkung der bereits seit 1978 im Libanon stationierten UNO-Übergangsstreitkräfte (Unifil) habe die volle Zustimmung der Hisbollah. „Wir haben schon früher gesagt, dass wir die Entsendung der libanesischen Armee begrüßen, unterstützt von den Unifil-Kräften.“

Doch Experten halten die Hoffnung auf ein Ende des mehr als einen Monat andauernden Krieges für unwahrscheinlich. „Ich glaube, dass dieses Gerede von einem Waffenstillstand ab Morgen sehr übertrieben und sehr zweifelhaft ist“, erklärte etwa Mouin Rabbani, Nahostanalyst der angesehenen International Crisis Group (ICG).

Nicht nur die Ankündigung israelischer Militärs, das Recht zur „Selbstverteidigung“ weiter in Anspruch zu nehmen, stimmt die Kritiker der UNO-Resolution skeptisch. Auch Nasrallahs unverholene Bereitschaft, den Guerillakrieg gegen israelische Stellungen im Süden des Landes fortzuführen, lässt ein baldiges Ende der Kampfhandlungen unrealistisch erscheinen. Da das Dokument den Status der zwischen Syrien und Libanon umstrittenen, von Israel besetzt gehaltenen Scheeba-Farmen nicht klärt, reklamiert die Hisbollah „unser natürliches Recht, Israel zu bekämpfen“. Dieses gelte so lange „wie es israelische Militärbewegungen, israelische Aggressionen und israelische Soldaten gibt, die unser Land besetzt halten“, sagte Nasrallah am Samstag auf al-Manar. Schon seit dem Abzug israelischer Besatzungstruppen aus dem Südlibanon im Mai 2000 haben Hisbollah-Kader die fortgesetzte Okkupation des kleinen Gebiets als Vorwand für die Fortführung ihres Kampfs gegen die „zionistische Entität“ genutzt. Die liberale israelische Tageszeitung Ha’aretz berichtete am Sonntag zudem, die US-amerikanische Regierung habe Premier Olmert zugesichert, dass die Zukunft der Scheeba-Farmen nur im Einvernehmen mit Israel entschieden werde.

MARKUS BICKEL