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Anwälte wider den Teufel

Die Geschichte dreier junger britischer Muslime aus einem Stadtteil von Birmingham: Michael Winterbottoms und Mat Whitecross’ halbdokumentarischer Film „The Road to Guantánamo“

Die mühsame Arbeit der Wahrheitssuche unterlassen Winterbottom und Whitecross

von BERT REBHANDL

Für George W. Bush ist die Sache ganz einfach: „Das sind böse Menschen“, sagt er über die „feindlichen Kämpfer“, die aufgrund häufig ganz dünner Verdachtsmomente in dem Lager Guantánamo inhaftiert sind. Über viele Jahre hat die US-Regierung in dieser Enklave auf Kuba einen rechtsfreien Raum geschaffen. Erst in jüngerer Zeit haben verschiedene Gerichtshöfe auch in Amerika auf die Unhaltbarkeit der Situation hingewiesen. Bush hat inzwischen die Flucht nach vorn angetreten, indem er im Senat de facto einen Antrag auf Foltererlaubnis gestellt hat und indem er prominente Inhaftierte aus Geheimgefängnissen nach Guantánamo überstellen lässt, um ihnen dort einen Prozess zu machen. Die Form für dieses Gerichtsverfahren wird noch gesucht.

Mit dem Statement von Bush über die „bösen Menschen“ eröffnen Michael Winterbottom und Mat Whitecross ihren Film „The Road to Guantánamo“. Die kurze Archivsequenz weist sofort in eine bestimmte Richtung. Dies wird kein Dokumentarfilm, dies ist direkt gegen den amerikanischen Präsidenten und seine Politik des Rechtsbruchs gerichtet. Die Regisseure kennen das Gewicht, das ein Bild von Bush hat. Bei vielen Menschen ist der Präsident verhasst wie selten ein Politiker. Michael Moore hat davon profitiert, nun machen sich auch Winterbottom und Whitecross schon mit der ersten Einstellung zu Advokaten contra diabolum.

„The Road to Guantánamo“ erzählt in halbdokumentarischer Form die Geschichte der „Tipton Three“, drei junger britischer Muslime aus einem Stadtteil von Birmingham, die sich 2001 zuerst in Pakistan, dem Land ihrer Herkunft, und im Oktober, wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September, in Afghanistan aufhielten. Dort gerieten sie zuerst in die amerikanischen Bombardements (im Chaos verliert sich die Spur ihres Freundes Monir), später wurden sie gefangen genommen und als „Taliban-Kämpfer“ oder „Mitglieder von al-Qaida“ an amerikanische Autoritäten ausgeliefert. Sie wurden zuerst in Afghanistan verhört, später wurden sie nach Kuba geflogen, wo sie zu den rund 700 Gefangenen zählten, die zwischenzeitlich in dem eigens errichteten Lager in der amerikanischen Enklave eingesperrt waren.

Asif, Ruhel und Shafiq sind inzwischen wieder in Freiheit. Sie sprechen im Rückblick auf ihre Haft, in der sie sich nach eigenen Aussagen dem Islam wieder stärker angenähert haben. Sie tragen jetzt wieder Bärte, während sie in den Szenen, die Winterbottom und Whitecross gedreht haben, zu Beginn noch westlich orientierte, britische Jungen sind, die Fast-Food-Pizza essen und dabei der Serviererin hinterherblicken. „The Road to Guantánamo“ besteht aus diesen zwei Spuren: dem mündlichen Bericht der „Tipton Three“, die jeweils einzeln vor der Kamera saßen und von ihren Erfahrungen sprachen, und den gespielten Szenen, die wie Illustrationen zu den Aussagen wirken. Die Montage ist so schnell, dass es schwer fällt, diese beiden Erzählweisen kritisch zueinander in Beziehung zu setzen.

Das wäre ein ganz anderer Film, in dem es nicht einfach darum geht, die Position der „Tipton Three“ in Bilder zu übersetzen, sondern deren Version der Geschichte selbst noch einmal zu überprüfen. Daran ist den Regisseuren nicht gelegen. Sie nehmen für bare Münze, was sie zu hören bekommen, und finden dann die fahlen und unruhigen Bilder dazu, wie man sie aus einigen von Winterbottoms Arbeiten schon kennt – etwa aus „In this World“ (2002). Der Eindruck von Reportagematerial, das unter schwierigen Umständen vor Ort gedreht wurde, entsteht, geht aber auf die Konventionen einer Fake-Authentizität zurück, die das Kino in den letzten Jahren ausgebildet hat. Winterbottom hat dazu selbst beigetragen. Schon das ebenfalls bei der Berlinale ausgezeichnete Migrationsdrama „In this World“, in dem er den Weg von Pakistan nach England nachvollziehbar machen wollte, war eher an bestimmten Images aus dem globalen Menschenverkehr interessiert als an den spezifischen Schwierigkeiten beim illegalen Grenzübertritt. Schon damals ging es Winterbottom nicht so sehr um eine Vertiefung der oberflächlichen Informationen der Massenmedien, sondern um deren rhetorische Verstärkung durch Lokalkolorit und sorgfältig ausgewählte Protagonisten.

Die „Tipton Three“ sind als Symbolfiguren für den Protest gegen Guantánamo bestens geeignet. Sie verkörpern die vielen Aporien in der Konfrontation mit dem Terrorismus. Vor allem aber sind sie Zeugen dafür, dass das Verhör eine problematische Form der Wahrheitsfindung ist. Winterbottom und Whitecross stellen die Widersprüchlichkeit und Widersinnigkeit der verschiedenen Fragesteller drastisch aus, das Ritual aus Einschüchterung und Entgegenkommen steht im Zentrum. Sie scheinen sich jedoch nicht bewusst zu sein, dass diese Prozedur auf den Film zurückwirkt, denn „The Road to Guantánamo“ beruht selbst auf einem Verhör, bei dem den Aussagen der drei Männer unbedingter Glaube geschenkt wird. Die mühsame Arbeit der Wahrheitssuche unterlassen Winterbottom und Whitecross, sie nehmen sie jedenfalls nicht in den Film auf, weil er dadurch von seiner Mission ablenken würde, die allzu simpel auf dem Freund-Feind-Schema beruht.

„The Road to Guantánamo“, Regie: Michael Winterbottom und Mat Whitecross, mit Rizwan Ahmed, Farhad Harun u. a., Großbritannien 2006, 95 Min.

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