„Ich war genauso hilflos wie die Regierung“

Der SPD-Linke Erhard Eppler hat Schröders Politik unterstützt. Im Unterschied zu anderen Linken. Denn er sah er keine politischen Alternativen

taz: Herr Eppler, was haben Sie gedacht, als Sie von der Entscheidung zu vorgezogenen Neuwahlen erfuhren?

Erhard Eppler: Ich habe gedacht, Schröder kann sich offenbar nicht vorstellen, wie er bei einer so überwältigenden Mehrheit der Union im Bundesrat noch regieren kann.

Schröder schiebt in seinem Buch die Schuld auch dem Druck der Gewerkschaften zu.

Mag sein, aber ausschlaggebend war die verlorene Wahl von Nordrhein-Westfalen.

War der Entschluss richtig?

Ja.

Sehen Sie das heute auch so?

Sogar mehr als damals. Die Wahl ging ja noch glimpflich aus. Wenn das Dahinsiechen der SPD weitergegangen wäre, wäre die SPD unter 30 Prozent gefallen.

Trotz WM-Stimmung und anziehender Konjunktur, die laut SPD den Erfolgen der Hartz-IV-Reform zu verdanken ist?

Ich bin nicht sicher, ob Rot-Grün noch ein ganzes Jahr durchgehalten hätte.

Schröder geriet wegen seiner Reformpolitik unter den Beschuss der Parteilinken und der Gewerkschaften. Warum verteidigte ihn ausgerechnet der alte Parteilinke Eppler?

Ich habe Schröder auch schon geholfen, als es um den Kosovo und Afghanistan ging. Ich wollte auf alle Fälle verhindern, dass die rot-grüne Koalition scheitert, weil ich sie für das Beste hielt, was Deutschland zur Verfügung hatte. Diese Regierung hat ja auch bleibende Errungenschaften hinterlassen: die Emanzipation in der Außenpolitik und die Energiewende.

Weil Sie Schröder verteidigten, wurden Sie als linkes Feigenblatt der SPD beschimpft.

Damit muss ich leben. Ohne das Ja zum Afghanistan-Einsatz hätte es sich die Regierung Schröder nicht leisten können, den Irakkrieg abzulehnen.

Mit der Ablehnung des Irakkriegs ging die SPD als Friedenspartei auf Wählerfang.

Falsch. Schröder hat mir bereits im Dezember 2001 gesagt, die Beteiligung an einem Irak-Einsatz käme nicht in Frage.

Hatten Sie mit Schröder auch Meinungsunterschiede?

Immer. Als 1999 das Schröder-Blair-Papier rauskam, habe ich ihn kritisiert. Dieses Papier war außerordentlich dürftig und anpasserisch.

Mit dem Papier einher ging Schröders Politik für die „neue Mitte“. Sein Nachfolger Kurt Beck scheint dies zu bereuen und entdeckt die Unterschicht.

„Neue Mitte“ gab es schon unter Brandt. Eine nur für die Öffentlichkeitsarbeit taugliche Linie.

Offenbar nicht: Unter Rot-Grün entstand die Linkspartei, die SPD-Linken von heute werfen Schröder vor, er habe die Armut verstärkt.

Dass die Kluft zwischen Arm und Reich tiefer geworden ist, ist ein weltweites Phänomen, verursacht durch eine marktradikal organisierte Globalisierung.

Sie erteilen Schröder eine globalisierungsbedingte Absolution?

Der Grund, warum ich die Regierung Schröder unterstützt habe, war, dass ich mir jedes Mal überlegt habe: Was würdest du denn jetzt tun? Und meistens war ich genauso hilflos wie die Regierung. Die Vorstellung, dass die Lebensverhältnisse in einem Land überwiegend von der nationalen Regierung bestimmt werden, habe ich mir schon lange abgeschminkt.

Andere ehemalige SPDler wie Lafontaine fanden andere Antworten – und kriegen in Schröders Buch ihr Fett weg.

Lafontaine halte ich seit langem für einen Narzissten, nicht für einen Überzeugungstäter.

INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN