Wenn die Reichen stiften gehen

In Bad Boll diskutieren Vermögende und Stifter über die Frage, wie sie ihr Geld in Sinn verwandeln können – für gesellschaftlichen Wandel in Deutschland und andernorts

BAD BOLL taz ■ Immer mehr Vermögende in Deutschland wollen mit ihrem Geld Gutes tun – aber zu diesem Zweck keine Almosen verteilen, sondern langfristig in eine Stiftung investieren. „Derzeit gibt es in Deutschland rund fünf Billionen Euro an Privatvermögen“, sagt Maritta Koch-Weser, Mitglied im Aufsichtsrat der Bochumer Gemeinschaftsbank. „Wir brauchen weniger Staat und mehr Bürgerinitiativen. Die Zivilgesellschaft braucht eine solide finanzielle Basis.“

Rund hundert Vermögende und Aktive aus Stiftungen trafen sich am Wochenende in der Evangelischen Akademie im württembergischen Bad Boll, um über Geld und gesellschaftlichen Wandel zu diskutieren. „Diese Tagung ist das erste Forum in Deutschland für Vermögende und sozialen Wandel“, sagte der Veranstalter Jörg Rohwedder, Geschäftsführer der im niedersächsischen Verden ansässigen Bewegungsstiftung.

Seriös und langfristig

Das Porträt einer ernsthaften Spenderin oder eines ernsthaften Spenders zeichnete Marjan Sax, Gründerin der niederländischen Stiftung MamaCash. „Eine gute Spende finanziert den Prozess und nicht ein Projekt“, so Sax. „Sie finanziert Personalkosten und Overheads, und zwar langfristig. Alles andere ist nicht seriös.“

MamaCash sucht reiche Erbinnen, die mit ihrem Geld ausschließlich Frauenprojekte finanzieren. Bisher hat die Stiftung rund 25 Millionen Euro eingeworben und rund 5.000 Frauenorganisationen damit unterstützt. „SpenderInnen sollen progressive, soziale Projekte fördern“, sagte Sax in Bad Boll, „ökonomische Gerechtigkeit, Umweltschutz und Menschenrechte.“ Wichtig sei dass die Menschen vor Ort bestimmen sollen, was mit dem Geld geschehen solle. Dies stärkt die Eigenverantwortung.

Wichtig ist für Sax, die Lage der Frauen zu stärken. Siebzig Prozent der Armen weltweit seien Frauen. Obwohl sie 70 Prozent der Güter produzierten, erhielten sie dafür nur ein Prozent der Erträge. Eine Studie der in Kanada ansässigen Association for Women’s Rights in Development (Awid) ortete sogar einen enormen Nachholbedarf innerhalb der Europäischen Union. Von 6,8 Billionen Euro an öffentlichen Geldern wurden 2003 demnach nur 0,04 Prozent für frauenspezifische Zwecke ausgegeben. Und das, obwohl sich solche Investitionen gleich mehrfach auszahlten, so Sax. „Frauen verteilen ihr Einkommen auch an Kinder und Angehörige.“

Kritisch sahen dagegen viele Teilnehmer die Rolle von Ratingagenturen in der Stiftungsszene. Die Agenturen seien in ihren Bewertungen „nicht zuverlässig“, sagte Ingeborg Wick vom Siegburger Südwind-Institut, das sich in der globalen Armutsbekämpfung engagiert. „Sie binden die Interessenten vor Ort völlig ungenügend ein. Sie sind nur punktuell informiert und nicht hinreichend seriös.“

Kreislauf des Guten

Einen anderen Ansatz präsentierte Erwin Stahl, Geschäftsführer der Münchener BonVenture Management GmbH. Die Gesellschaft finanziert als erster Social Venture Fonds Deutschland soziale und ökologische Projekte mit insgesamt rund fünf Millionen Euro Risikokapital. Die Rendite wird dann an eine gemeinnützige GmbH gespendet, die damit wiederum Vereinsprojekte finanziert – ein „Kreislauf des Guten“, wie es die Organisatoren sehen. CHRISTIAN NEUGEBAUER
BETTINA DÜRRHEIM

Die Autoren sind Herausgeber und Chefredakteure der „Glocalist Daily News“, einer Nachrichten- und Netzplattform für soziale Bewegungen (www.glocalist.com). Eine umfangreiche Tagungsdokumentation kann dort ab Januar 2007 kostenfrei bestellt werden.