Jetzt neu: Qualitätsarbeit im Jugendamt

Bürgermeister und Sozialsenatorin legen umfassenden Maßnahmenkatalog für das Jugendhilfesystem vor

An zwei Stellen will der Senat ansetzen, um Fälle wie den Tod des zweijährigen Kevin in Zukunft auszuschließen. Erstens sollen Drogenabhängige nur noch in Ausnahmefällen ihre Kinder behalten dürfen, wie Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) gestern sagte. Zweitens soll das Jugendamt seinen Auftrag erfüllen, für das Kindeswohl zu sorgen.

Dass letzteres in Bremen in der Vergangenheit nicht funktioniert habe, bestätigte Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) gestern bei der Vorstellung von Verbesserungsmaßnahmen im Amt für Soziale Dienste. „Es ist nicht an allen Stellen so gearbeitet worden, wie es der sensiblen Aufgabe angemessen gewesen wäre.“ Jetzt soll beispielsweise werktags bis 16.30 in jedem Sozialzentrum ein Jugendamtsmitarbeiter erreichbar sein. Wie viele Neueinstellungen nötig sein werden, damit im Ernstfall jemand nicht nur ans Telefon gehen, sondern auch zum Kind fahren kann, blieb unklar. Mitarbeiter des Jugendamtes hatten nach dem Tod Kevins beklagt, zu viel zu tun zu haben, um sachgerecht arbeiten zu können.

Dafür soll mittels Fortbildung und Supervision die Qualität der Arbeit verbessert werden. Auch neu: Die Vorgesetzten sollen ihre Leitungsaufgaben wahrnehmen. Dazu muss allerdings eine Aktenführung sicher gestellt werden, die es ermöglicht, einen Fall anhand der Akte überschauen zu können. Der Fallmanager von Kevin hat Ermittlungen zufolge nur eine „Lose-Blatt-Sammlung“ geführt, seine Arbeit soll trotz hoher Fehlzeiten nicht kontrolliert worden sein.

Zusätzlich soll es ein Notruftelefon geben, wo Kindeswohlgefährdungen gemeldet werden können. Dieses soll auch nach Dienstschluss und am Wochenende erreichbar sein. Sozialsenatorin Rosenkötter sprach von einer „Verzahnung“ mit bereits bestehenden Angeboten. Bisher bietet nur das Mädchenhaus eine 24-Stunden-Hotline an.

Bis Mai soll außerdem ein Krisendienst eingerichtet werden, der auch außerhalb der Dienstzeiten in kritischen Fällen eingreifen kann. Weitere Neuerungen: Ein Handlungsleitfaden zum Umgang mit Kindeswohlgefährdung, ein Clearings-Ausschuss, bei dem Fachkräfte über besonders schwierige Fälle gemeinsam entscheiden. Und: Die MitarbeiterInnen im Amt für Soziale Dienste sollen per Dienstanweisung verpflichtet werden, Strafanzeige beim Verdacht auf Kindesmisshandlung zu stellen. Und noch: Statt bisher zwei soll es in Zukunft sechseinhalb Stellen für Amtsvormunde geben, die anstelle der Eltern das Sorgerecht wahrnehmen.

Bürgermeister Böhrnsen forderte auch eine „Mentalitätsveränderung“. Nicht nur der Staat, sondern alle Teile der Gesellschaft müssten besser hinschauen, wenn es um Kinder geht. Böhrnsen deutete an, dass der Untersuchungsausschuss weitere notwendige Veränderungen nahe legen könnte. Wie viel die angekündigten Maßnahmen kosten werden, sagte er nicht. „Wir werden das ausgeben, was nötig ist.“ eib