RALPH BOLLMANN MACHT
: Hirn ohne Strategiezentrum

Bürgermeister Christoph Ahlhaus wird die Hamburg-Wahl verlieren, weil er so schrecklich schlecht denken kann

Gelegentlich fahre ich nach Hamburg, um dort ins Theater zu gehen, in die Oper oder ins Konzert. Das ist dort immer noch möglich, allem wohlfeilen Gejammer über die lokale Kulturpolitik zum Trotz. Auch sehne ich stets die viel gescholtene neue Elbphilharmonie herbei, wenn ich von meinem Platz in der alten Musikhalle aus nichts sehe und schlecht höre.

Besten Ausblick hatte ich in der Stadt dagegen auf die Wahlplakate. Besonders fiel mir die aggressive Kampagne der Opposition auf. „Unsere Polizei stärken“, hieß es da, ganz so, als wären die Ordnungskräfte vom Innensenator der bisherigen Landesregierung sträflich vernachlässigt worden. Auch die Bildungspolitik, erfuhr ich, sei in den zurückliegenden Jahren völlig verfehlt gewesen. Neue Leute müssten her, verstand ich, die alles anders machen als bisher.

Nun, dieser Wunsch wird am Sonntag aller Voraussicht nach in Erfüllung gehen. Nur, da hatte ich mich geirrt, waren es gar nicht die Leute von der Opposition, die ihn geäußert hatten, wie ich bei einem genaueren Blick auf das Parteilogo feststellen musste. Es war der amtierende Bürgermeister selbst, der die Politik seiner CDU für gescheitert erklärte. Er selbst, so dachte er wohl, ist ja erst vor ein paar Monaten als Nachfolger von Ole von Beust ins Amt gerutscht, da hat er mit der Politik der CDU nicht so viel zu tun.

Überall lese ich jetzt, das Problem des Christoph Ahlhaus sei habituell bedingt. Dass ihn die führende Lokalzeitung als ältesten Vierzigjährigen der Stadt vorstellte, wird in jedem Porträt zitiert. Als ob das ein Kriterium wäre. Der älteste Vierzigjährige Hessens gewann 1999 sogar aus der Opposition heraus eine Landtagswahl, und er er schied erst als ältester Fünfzigjähriger aus dem Amt.

Als ich in Hamburg an den Plakaten vorbeispazierte, schien mir eher, das Problem des Christoph Ahlhaus sei das Fehlen eines strategischen Zentrums im Gehirn. Die Regierung der eigenen Partei kritisieren! Hat er nicht mitbekommen, was es der SPD gebracht hat, ihre eigene Politik schlechtzumachen? Als sie um des innerparteilichen Friedens willen von den rot-grünen Regierungsjahren abrückte – und in den Umfragen immer weiter absackte? Plante Christoph Ahlhaus da gerade den Sicherheitszaun für sein Eigenheim?

Ole von Beust war so beliebt, weil er sehr hart sein konnte, vor allem gegen die eigene Partei. Erfolgreiche Vorgänger wie Klaus von Dohnanyi oder Henning Voscherau standen ihm in der Fähigkeit, ihre Leute zu piesacken, kaum nach. Aber Ahlhaus will gleichzeitig gemocht werden von seiner CDU. Er will kuscheln und kritteln – eine Wahl kann man auf diese Weise nur verlieren.

Nicht weil Ahlhaus konservativ war, platzte sein Regierungsbündnis. Dagegen hätten sich die Grünen als Partei der bürgerlichen Mitte prima profilieren können, auch innerhalb des Senats. Aber sie hätten mit diesem Bürgermeister nicht weitermachen können, weil er nicht professionell war, weil er am Ende vielleicht sogar ein bisschen unpolitisch ist.

Beim Blick auf die Wahlplakate fiel mir eine Opernaufführung ein, die ich in Hamburg gesehen hatte, Richard Wagners „Meistersinger“. In der Szene auf der Festwiese unterbrach Regisseur Peter Konwitschny die Musik und ließ einen Sänger zu Hans Sachs sagen: „Ist dir eigentlich klar, was du da singst?“ Nein, dem Hänschen Ahlhaus war es offenbar nicht klar.

Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz Foto: Urbach