Im Hochsommer wollen alle ans Mittelmeer

FLUCHT Noch nie kamen so viele Afrikaner und Araber nach Italien wie in diesem Sommer. Über 500 von ihnen sind bisher unterwegs ertrunken – Flüchtlinge und Migranten aus Syrien, Eritrea und anderswo

BERLIN taz | Die Migrationsbewegungen aus Libyen über das Mittelmeer Richtung Europa laufen auch im Sommer 2014 wieder auf Hochtouren. Allein seit dem Wochenende hat Italiens Marine über 1.700 Menschen aus Booten aufgegriffen, wie sie am Dienstag mitteilte.

Die italienische Marinemission „Mare Nostrum“ habe zwischen Samstag und Montag mehr als 1.500 Menschen gerettet und in der Nacht zu Dienstag noch einmal 200. Letztere hätten sich auf drei Flößen befunden.

Am Dienstag signalisierte ein türkischer Frachter, es sei ein halb gekentertes Boot voller Meschen rund 70 Kilometer vor der libyschen Küste gesichtet worden. Ersten Berichten zufolge barg die italienische Marine 12 Menschen und eine Leiche. Wie viele Menschen sich ursprünglich auf dem Boot befanden und wo sie herkamen, sei vorerst nicht bekannt. „Die Rettungsarbeiten dauern an“, hieß es.

Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR sind dieses Jahr bereits mehr als 500 Migranten im Mittelmeer zu Tode gekommen. 217 davon sollen vor Libyens Küsten ertrunken sein; mindestens 288 wurden vor den Küsten Italiens, Griechenlands und der Türkei tot geborgen oder werden noch vermisst.

Damit droht das laufende Jahr tödlicher zu werden als 2013, als insgesamt 700 Menschen bei der Überfahrt über das Mittelmeer starben. 2014 ist ohnehin bereits ein Rekordjahr: Seit Januar sind einschließlich der neuesten Ankömmlinge fast 69.000 Flüchtlinge und Migranten in Italien oder den italienischen Gewässern lebend aufgegriffen worden. Im Jahr 2013 waren es 42.000; der bisherige Rekord war das Jahr 2011 mit 62.000. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht von noch höheren Zahlen aus. Ihre italienische Sektion sprach kürzlich von „2.000 bis 3.000 Ankömmlingen jeden Tag“ allein in Italien.

2011 war das Jahr der arabischen Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Libyen – im laufenden Jahr gelten die Massenfluchtbewegungen aus Syrien und zunehmende Repression in Eritrea als wichtigste Faktoren, die illegale Migranten nach Libyen auf der Suche nach einem Weg Richtung Europa drängen. Laut UNCHR sind in den beiden größten libyschen Städten Tripoli und Bengasi 64.000 Migranten als Asylsuchende registriert. Das wichtigste Herkunftsland ist Syrien, gefolgt von Eritrea, Somalia und Irak. Auch Mali und andere Sahel-Staaten sowie Ägypten kommen häufig vor. D.J.