Trittin und seine Wirtschaftslobby

Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin holt sich Unterstützung bei der Industrie, die Öko-Kraftwerke bauen will. Abstimmung über Ökosteuer im Bundestag  ■   Von Hannes Koch

Der Manager lobte Umweltminister Trittin, das personifizierte Feindbild der Industrie, als „Hoffnungsträger“

Berlin (taz) – Fast war es ein Heimspiel für Jürgen Trittin, den als unbehauenen Klotz verschrienen grünen Bundesumweltminister. Ein Heimspiel auf fremdem Platze. „Sie tun uns einen großen Gefallen“, lobte Dieter Rittscher, der Geschäftsführer der Energiewerke Nord im mecklenburg-vorpommerschen Lubmin. Derartige Anerkennung bekommt Trittin selten – aus dieser Richtung nie. Rittscher ist Atommanager. Ihm untersteht das stillgelegte und zum Abriss bestimmte alte DDR-Atomkraftwerk bei Greifswald an der Ostseeküste.

Mit dem Grenzschutz-Hubschrauber war Trittin am Mittwoch hingeflogen, um ein außergewöhnliches Dokument zu überbringen: Die rot-grüne Genehmigung für ein atomares Zwischenlager (taz berichtete gestern). Ab sofort können damit die alten Brennelemente des AKW aus ihrem bisherigen provisorischen Lager in die neue große Halle auf dem Werksgelände gebracht werden.

Anlass für Atomboss Rittscher, die „sehr faire Zusammenarbeit mit der Genehmigungsbehörde, dem Bundesamt für Strahlenschutz“, zu würdigen, welches Trittin untersteht. Ihn, das personifizierte Feindbild der Industrieverbände, bezeichnete der Manager als „Hoffnungsträger“.

Hohe Erwartungen setzt ein weiterer Unternehmenschef in den Umweltminister. Herbert Aly leitet den deutschen Ableger des schwedischen Energiekonzerns Vasa, der in Lubmin ein modernes Gas-und-Dampf-Kraftwerk bauen will. Aly sieht in seiner Gastechnologie eine bessere Alternative zur antiquierten Atomwirtschaft als die Energieproduktion auf Basis der deutschen Braun- und Steinkohle. Trittin ließ sich nicht lange bitten: „Eine sehr viel bessere Lösung“, assistierte er und versprach „sicherzustellen, dass das Projekt gemacht werden kann“.

Trittin bastelt am Aufbau einer eigenen Lobby in der Wirtschaft und verschafft sich Unterstützung in der Debatte um die Ökosteuerreform, deren zweite Stufe gestern im Bundestag zur Abstimmung stand. Dem war ein Sturmlauf der Kohlelobby aus dem Ruhrgebiet und der entsprechenden SPD-Politiker vorausgegangen, die die von der rot-grünen Regierung bereits beschlossene Steuerbefreiung für moderne Gas-und-Dampf-Kraftwerke zu Fall bringen wollten.

Unter Ausnutzung der politischen Kanäle des Energieriesen RWE ist das teilweise gelungen: Sollte die Steuerbefreiung ursprünglich schon für Gasanlagen mit einem Wirkungsgrad von 57 Prozent gelten, drückte die SPD die Grenze gegen die Grünen auf 57,5 Prozent hoch. Die Folge: Umweltfreundliche Gas-Kraftwerke müssen die Energie des Erdgases noch besser ausnutzen, um von der Steuer befreit zu werden. Der Preis des produzierten Stroms wird damit teurer, was bei der Kohlelobby die Hoffnung nährt, lästige Konkurrenz unter die Wasserlinie drücken zu können.

Genau dieser Punkt macht Vasa-Manager Aly Sorgen: „Ich sehe schwarz für unser Projekt in Lubmin.“ Wenn Aly auch etwas viel Zweckpessimismus verbreitete, so liegt die SPD-Intervention den Maschinenbauingenieuren doch schwer im Magen. Technisch ist es zwar möglich, die neuen Gaskraftwerke auf einen Wirkungsgrad von 58 Prozent zu bringen und damit die Steuerbefreiung einzustreichen – ob die Anlagen die Vorgabe im Dauerbetrieb einhalten, steht in den Sternen. So sieht die Vasa in Umweltminister Trittin einen Verbündeten, um die Wettbewerbsbedingungen für ihre Kraftwerke zu verbessern.

Vorerst freilich kann Trittin nicht viel tun. Er muss schon froh sein, wenn die Ökosteuer überhaupt den Bundestag passiert. Denn auch vor der gestrigen Abstimmung trommelte die Kohlelobby: RWE drohte mit dem Aus für den geplanten Braunkohletagebau Garzweiler II, und Nordrhein-Westfalens sozialdemokratischer Ministerpräsident Wolfgang Clement mobilisierte in der SPD-Fraktion.

Nach dem Beschluss über die Ökosteuerreform wird die Schlacht nicht zu Ende sein: SPD-Politiker wollen durchsetzen, dass der Wirkungsgrad der Gas-Kraftwerke erst nach 7.000 bis 10.000 Betriebsstunden gemessen wird. Im ersten Jahr nach Inbetriebnahme würden die Gas-Anlagen also nicht in den Genuss der Steuererleichterung kommen.

Angesichts dieser Lage will die Vasa bei Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) auf eine Ausnahmeregelung für Lubmin drängen. Die andere Variante: ein juristisches Verfahren bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Die Vasa würde dann die Steuerbelastung des Erdgases als ungerechtfertigte Subventionierung der Kohle anprangern, die mit keiner derartigen Steuer belastet ist.

Nur ein Ereignis störte das Heimspiel des Ministers. Die atomkritische Bürgerinitiative Kernenergie protestierte gegen das neue Zwischenlager am AKW, weil Greifswald damit zum „Atomklo“ auch für westdeutschen Strahlenmüll werde.