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Archiv-Artikel

Betäubende (Drogen-)Politik

betr.: „Immer früher, immer mehr“, taz vom 18. 05

Zu früh zu viel Alkohol und Drogen? Bei den G-8-Berichten übernehmt ihr doch auch nicht das Vokabular der Repressionisten, warum hier? Alkohol ist eine Droge.

In Deutschland seien insgesamt rund 400.000 Menschen von Cannabis abhängig? Sowohl die Zahl der KonsumentInnen wie der Abhängigen ist reine Schätzung. Seit dem Ausscheiden von Staatssekretärin Nickels erleben wir ein Rollback in der Drogenpolitik – nach dem 1994er Cannabis-Urteil des BVerfG sah das mal anders aus. Seit Merkel werden Konsumentenzahlen – insbesondere bei Cannabis – wieder hochgeschätzt und gegenüber früher sogleich eine suchtwissenschaftlich höchst fragwürdige Abhängigenzahl in altbewährter Kanther-Manier (Links- und Rechtsextremismus) im selben Atemzug genannt. Damit sogleich die Gefahr – wie bei G-8-Gegnern – ständig und überall deutlich wird und das Festhalten der Politik an (mehr) Repression statt Liberalisierung unhinterfragt bleibt. Wo viel (angebliche) Gefahr, da (absolute) Notwendigkeit gesetzlicher und präventiver Maßnahmen.

Ob dahinter nicht vielmehr eine Pathologisierung von (anderen) Konsumgewohnheiten und Lebensstilen steckt, wie sie die Wissenschaftlerin Barsch in ihrem Buch „Wahn macht Sinn“ aufzeigt? Warum ein Teil (unserer) Kinder so früh zuerst zu den legalen und dann den illegalisierten Suchtmitteln greift? So eine Frage stellt man nicht, es reicht völlig, die willkürliche Einteilung in legale und illegalisierte Suchtmittel niemals nicht anzuzweifeln, den verfassungsrechtlich erlaubten Konsum weiterhin mit einem im deutschen Recht fragwürdigen Konstrukt quasi hintenherum strafrechtlich zu sanktionieren und durch mantragleiches Wiederholen der von anderen Medien eingeführten Schätzungen oder von althergebrachten, aber neu choreographierten Mythen in Tüten die Angst vor der Bedrohung durch die bösen Drogen – vornehmlich die der anderen – nie versiegen zu lassen.

Doch werden wir bedroht durch eine betäubende (Drogen-)Politik und das Profilisierungs- wie Profitstreben einschlägig interessierter Menschen. Die Dosis macht das Gift. Von der Lernresistenz und dem Beharrungsvermögen der Politik sowie dem seit September 2001 hoch dosiert in Mode gekommenen Kontroll- und Präventionswahn gehen weit aus mehr Gefahren aus als von Drogen. Und vielleicht ist der Konsum von Drogen durch unsere Jüngsten gerade eine Reaktion auf diese Entwicklung. UWE SCHOLZ, Hamburg