Kunst für umsonst zu teuer

In der renommierten Bonner Bundeskunsthalle sollen Steuergelder in Millionenhöhe verschwendet worden sein. In Berlin beschäftigt der Fall die Politik, in Bonn jetzt auch die Staatsanwaltschaft

Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (BKH) ist eine Einrichtung des Bundes und der Länder. Sie wurde 1992 auf Beschluss der Bundesregierung als „geistig-kulturelles Zentrum“ in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn eröffnet. Die BKH hat sich mit einzigartigen Wechselausstellungen einen Namen gemacht. Sie untersteht dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Im Kuratorium sitzen Vertreter des Bundes und der 16 Länder.

VON SUSANNE SITZLER

Statt mit Skandalen machte die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (BKH) bisher mit spektakulären Ausstellungen und Besucherrekorden auf sich aufmerksam. „The Guggenheim Collection“ beispielsweise, für die weltweit Exponate aus Guggenheim-Museen zusammengetragen wurden, sahen bis Januar 2007 über 800.000 Kunstfreunde. Auch die aktuelle Ausstellung „Ägyptens versunkene Schätze“, die antike Objekte von den Küsten Alexandrias präsentiert, scheint ein Kassenschlager zu werden. Versunkene Schätze anderer Art beschäftigen derzeit aber Staatsanwaltschaft und Politik. Die Bundeskunsthalle – vom Bund jährlich mit 16 Millionen Euro finanziert – soll Steuergelder in Millionenhöhe verschwendet haben.

Die Vorwürfe betreffen sowohl den bereits entlassenen kaufmännischen Geschäftsführer Wilfried Gatzweiler, als auch den vorerst nur beurlaubten Intendanten Wenzel Jacob. Während Jacob bisher jede Stellungnahme mit Verweis auf bereits laufende Ermittlungsverfahren konsequent ablehnt, meldet sich der ehemalige Finanzchef Gatzweiler nun mit einer 50-seitigen Stellungnahme öffentlich zu Wort. Darin weist Gatzweiler die Verschwendung von Steuergeldern zurück: Die BKH habe Ausgaben stets mit „selbst erwirtschafteten Mitteln gedeckt“, sagt er. Auch gegen die Buchprüfer des Bundesrechnungshofs setzt er sich heftig zur Wehr.

Rückblick: Konkret beziehen sich die Anschuldigungen gegenüber Gatzweiler und der BKH auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der die Geschäfte des Museums im Auftrag des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags zu prüfen hatte. Gerüchte darüber, dass die BKH Gelder nicht ordnungsgemäß verwendet, gab es schon länger. Der jetzt vorliegende Bericht des Rechnungshofes bestätigt sie. Er bescheinigt der Kunsthalle „zahlreiche Verstöße gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Geschäftsführung“.

Im Fokus der Kritik stehen die Open-Air-Konzerte (mit Stars wie Elton John oder Bob Dylan) auf dem Museumsplatz. Mit Großveranstaltungen dieser Art habe das Museum laut Rechnungsprüfer in den vergangenen Jahren ein Minus von sechs Millionen Euro erwirtschaftet und mit Steuergeldern gedeckt. Deshalb soll mit den Konzerten nun Schluss sein. Zahlreiche Kalkulationsfehler hätten zu der negativen Bilanz geführt. Unter anderem sei man von zu hohen Kartenverkäufen ausgegangen. Risikoabschläge für schlechtes Wetter habe man nicht kalkuliert. Darüber hinaus habe die BKH offenbar tausende Tickets verschenkt. 2006 allein 5.000 Stück im Nominalwert von 200.000 Euro. Auch dadurch entstand finanzieller Schaden – in den Augen der Prüfer eine rechtswidrige Angelegenheit. Gatzweiler nennt diese Praxis jedoch „branchenüblich“. Er habe die Karten „als Anerkennung“ an Feuerwehr, Polizei und Geschäftsleute vergeben.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hat sich auch die Staatsanwaltschaft Bonn eingeschaltet. Der Verdacht: Betrug, Bilanzfälschung und Veruntreuung. Sie beschäftigt sich allerdings nicht nur mit der Vergabe der Freikarten, sondern auch mit deren Verbleib. Akten über die Empfänger sollen vermutlich vernichtet worden sein. „Schriftliche Aufzeichnungen wurden im September 2006 im Sekretariat der Geschäftsleitung auf Weisung des kaufmännischen Geschäftsführers vernichtet“, steht im Bericht des Rechnungshofs. Auch diese Aussage will Gatzweiler nun widerlegen. In seiner Stellungnahme listet er laut Kölner Stadtanzeiger die Empfänger der Tickets auf.

Doch damit nicht genug. Die Prüfer fanden weitere Verstöße bei Dienstreisen, bei der Nutzung von Dienstwagen, bei der Vergabe von Aufträgen und bei Provisionszahlungen. Gatzweiler soll bei einer Hongkong-Reise seine dienstlichen Bonusmeilen für den Flug einer privaten Begleitperson angerechnet haben. „Insgesamt sind verschiedene gravierende Mängel zu Tage getreten“, sagte ein Sprecher des Bundesrechnungshofes. Nun müssten die politischen Gremien entscheiden.

Ein Museum versinkt in einer Schlammschlacht: Trotz bundesweitem Renommee soll es unzureichende Kontrolle durch das Aufsichtsgremium gegeben haben. Der ehemalige Finanzchef will gegen seine Kündigung klagen. Der Ausgang ist offen

Sie haben in Berlin bereits reagiert. Der Haushaltsausschuss des Bundestags forderte die Regierung vergangene Woche auf, bis Mitte Juni alle rechtlichen Gesichtspunkte zu prüfen und entsprechende Schlussfolgerungen zu treffen. „Der Rechnungshof hat skandalöse Defizite vorgelegt“, sagte Ausschuss-Mitglied Steffen Kampeter (CDU). Den Vorwürfen müsse man minutiös nachgehen. Auch Petra Merkel (SPD) zeigte sich entsetzt. „Die Unterlagen der Bundeskunsthalle stimmen vorne und hinten nicht“, so die Haushaltsexpertin. Sie möchte wissen: „Warum hat die Verwaltung bei den hohen Ausgaben immer wieder mitgespielt?“ Eine Rufschädigung der renommierten BKH soll aber vermieden werden. In Bonn wird man das mit Erleichterung aufnehmen. Maja Majer-Wallat, die Pressesprecherin der BKH sagt: „Wir hoffen, dass man in Berlin fair mit den Leistungen des Hauses umgeht.“ Ob die Reaktion Gatzweilers dies befördert, bleibt zu bezweifeln.

Doch die Politiker in Berlin müssen sich in Sachen BKH auch an die eigene Nase greifen. Denn neben den unzähligen Vorwürfen gegen die Geschäftsführung steht auch das politischen Kontrollgremium, das Kuratorium der BKH, in der Kritik. Die Vertreter des Bundes und der Länder kamen wohl ebenso wenig ihren Pflichten nach: „Das Aufsichtsgremium befasste sich nur vereinzelt mit finanziellen Angelegenheiten“, beklagte der Bundesrechnungshof. Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) habe die staatlichen Zuwendungen nur „unzureichend gesteuert und kontrolliert“. Auf Anfrage wollte Naumann keine Stellungnahme abgeben, auch nicht Knut Nevermann (SPD), Kuratoriums-Vorsitzender im betreffenden Zeitraum und heute Staatssekretär im sächsischen Wissenschaftsministerium.

Wie es weitergeht ist offen. Handlungsfähig ist die BKH, als kommissarischen kaufmännischen Leiter wurde Otto Lindner, stellvertretender Verwaltungschef der Deutschen Welle in Bonn, berufen. Der Aufhebungsvertrag mit Gatzweiler läuft bis zum 30. September. Ob der vorerst nur freigestellte Jacob seinen Posten behält, wird die Gesellschafterversammlung bis Mitte Juni entscheiden. Beide müssen mit einem juristischen Nachspiel rechnen.