Land verschleppt Aufklärung

Erst ein Drittel aller eventuell mit PFT belasteten Flächen ist untersucht – dabei wurde der Chemikalien-Skandal schon 2006 entdeckt. Ermittler bemängeln schlechte Arbeit der Behörden

VON ELMAR KOK

Ein Jahr nach Entdeckung des PFT-Skandals sind gerade einmal ein Drittel aller betroffenen Flächen untersucht worden. Die Chemikalie PFT (Perfluorierte Organische Tenside), die in Nordrhein-Westfalen als Bestandteil von Klärschlamm auf Felder gekippt wurde, steht im Verdacht, Krebs zu verursachen. Seit Entdeckung der PFT-Belastung von Trink- und Oberflächenwasser im Juni 2006 laufen staatsanwaltliche Ermittlungen, werden Bodenproben auf Feldern genommen.

Vorgestern wurde im westfälischen Rüthen bei Soest durch dieses Verfahren erneut eine mit PFT vergiftete Fläche entdeckt. „Anlass des PFT-Fundes war, dass wir systematisch weiter untersucht haben“, sagt Alfons Matuszczyk, Abteilungsleiter des Soester Umweltamtes. Mittlerweile seien im Kreis Soest 243 Flächen untersucht und pro Hektar jeweils 20 Proben genommen worden.

Laut Markus Fliege, Sprecher des NRW-Umweltministeriums von Eckhard Uhlenberg (CDU), sind bisher ungefähr 300 Flächen untersucht worden. Insgesamt gehe es um rund 900 Flächen. „Wir kümmern uns zuallererst um Flächen, bei denen es vorrangig zu Belastungen kommen kann“, so Fliege. Demnach wurden bis jetzt Flächen untersucht, bei denen eine Belastung von Gewässern und Trinkwasser am ehesten zu erwarten gewesen sei. Grundlage für die Suche nach verseuchten Feldern seien die Lieferscheine der GW-Umwelt, die bei staatsanwaltlichen Ermittlungen sichergestellt wurden, sowie die Unterlagen bei den Umweltämtern der Kreise. Den Umweltämtern der Gemeinden muss nach Bio-Abfall-Verordnung angezeigt werden, was auf die Felder gebracht wird.

GW Umwelt und deren Tochterfirma Terra Vital sollen PFT-verseuchten Dünger unter die Bauern gebracht haben. Angeblich haben Landwirte zehn Euro Prämie pro Hektar erhalten, der „gedüngt“ wurde. In Kreisen der gegen die PFT-Firma GW-Umwelt ermittelnden Staatsanwaltschaften wundert man sich über die Schwerfälligkeit der Behörden. „Auf jeden Fall ist es so, dass die betroffenen Gemeinden rechtzeitig informiert wurden“, ist aus Ermittlerkreisen zu hören. Der Kundenstamm von GW-Umwelt sei weitergegeben worden. Allerdings ist die Rüthener Fläche erst bei der zweiten Untersuchung als auffällig erkannt worden. Dabei hätten alle Gemeinden Informationen von den Staatsanwaltschaften bekommen. Das bestreitet der Soester Matuszczyk: „Die Staatsanwaltschaften haben von uns die Unterlagen aus dem Anzeigeverfahren bekommen.“

Das Anzeigeverfahren verpflichtet den Bauern, bei der Umweltbehörde anzuzeigen, dass etwas auf die Felder gebracht werden soll. Gibt es innerhalb einer bestimmten Frist keinen Widerspruch, dürfen die Landwirte aufs Feld. So verlassen sich die Behörden auf Angaben der Landwirte, die mit GW-Umwelt Geschäfte machten. Dass das problematisch sein könnte, weiß auch Fliege. „Wir können uns auf diese Angaben nicht 100-prozentig verlassen“, sagt er. Mit den Staatsanwaltschaften habe es aber einen engen Austausch gegeben.

Die Grünen kritisieren den CDU-Umweltminister. Der habe mittlerweile ein Jahr Zeit vergeudet, ohne die Aufklärung des Skandals voran zu bringen, sagt Johannes Remmel, umweltpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion. Zudem habe Uhlenberg bis heute kein Sanierungskonzept für betroffene Flächen vorzuzeigen.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW fordert von Uhlenberg, der gelernter Landwirt aus Soest ist und seinen Wahlkreis dort hat, mehr Aufklärung. Um das Ausmaß der Vergiftungen festzustellen, „bräuchten wir bei den Menschen, die entlang der Ruhr leben, Blutuntersuchungen“, sagt BUND-Chemie-Experte Paul Kröfges.