Asche zu Asche. Aber die Lobby lebt

Er ist eine der erfolgreichsten und meistgehassten Lobbyorganisationen Deutschlands: Der Verband der Cigarettenindustrie wird abgewickelt. Ist die Tabaklobby am Ende? Nein, sagen sowohl ein Tabakmanager als auch die wichtigste Gegenspielerin

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

In einem Berliner Dachgarten mit Blick auf die Reichstagskuppel werden sich Politiker und Journalisten am Dienstag nächster Woche zur 25. „Blauen Stunde“ treffen. Diesmal lädt sie der Verband der Cigarettenindustrie VDC zu Country Barbecue und Westernmusik ein. Auch Gratiszigaretten werden gereicht – wie immer. Ungewöhnlich wird dagegen sein, dass die Gäste eine Art Geisterverband besuchen. Denn die Mitgliedsfirmen des VDC haben einstimmig beschlossen, den Club in den nächsten Monaten abzuwickeln.

„Ich habe vor, die Veranstaltung zu machen“, meint VDC-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Hainer. Er klingt beeindruckend cool dafür, dass sich gerade nichts Geringeres vollzieht als die Auflösung einer der erfolgreichsten und wohl auch meistgehassten Lobbyorganisationen der Republik. Ein Manager von einer der sieben Mitgliedsfirmen sagt: „Es bringt nichts, mit einem nicht funktionierenden System rumzuwurschteln.“ Aber die Tabakindustrie wäre nicht die Tabakindustrie, wenn sie nicht schon an einer Ersatzlösung arbeitete.

Die vergangenen Monate waren für den VDC ein Desaster. Rauchverbote im Taxi, in Reisebussen und auf Ämtern werden im September in Kraft treten. Die Bahn schafft zum selben Termin die Raucherabteile ab. Diese Woche werden die ersten Landtage beschließen, dass in Kneipen und Restaurants nur in Raucherzimmern gequalmt werden darf. Das Schlimmste für den VDC ist aber, dass es der Gegenlobby gelungen ist, ihm das Image hinterhältiger Todesengel zu verpassen. Vor den Tabakpartys demonstriert das Forum Rauchfrei. Politiker, die Sponsorengelder oder Spenden nehmen, müssen mit wütenden Mails und unvorteilhaften Zeitungsberichten rechnen. Als Hainer kürzlich vor dem Gesundheitsausschusses des Bundestags sprach, belächelten ihn Abgeordnete wie eine Zirkusnummer.

Das zweite Problem des VDC ist interner Natur. Die mit Umsatzeinbußen kämpfenden Tabakbosse beobachten sich misstrauisch. Der Marlboro-Hersteller Philip Morris verfolgt andere Interessen als seine Konkurrenten. Marktführer Marlboro liegt mit seinen Umsätzen so weit vor den anderen, dass er nichts dagegen hätte, wenn auch die Plakatwerbung verboten würde – und wenn Fertigzigaretten und Tabak zum Selberdrehen gleich hoch besteuert würden, denn beim billigen Feinschnitt verdient der Konzern nicht so gut wie andere. Deshalb kündigte Philip Morris zum Jahresende seinen Austritt aus dem VDC an.

„Mieten, Pensionsverpflichtungen“, sagt der Manager eines Konkurrenten: „Wir anderen wären auf den ganzen Kosten sitzen geblieben.“ Nun muss Philip Morris die Abwicklung mitbezahlen. Die wird teuer. Schon weil einige der 15 Mitarbeiter viel wissen, dürften sie großzügig abgefunden werden. Trotz der Misere gilt der Satz des Schriftstellers Christopher Buckley: Tabak sorgt für die Seinen.

Auch für wohlgesinnte Politiker, Beamte und Journalisten wird künftig gesorgt sein. Zwar haben British American Tobacco und Reemtsma schon eigene Lobbyisten in Berlin, dennoch kann es ihnen nützen, gemeinsam mit den kleinen Firmen gegen Philip Morris anzutreten. „Es wird eine gemeinsame Interessenvertretung geben“, kündigt ein Tabakmann an.

Martina Pötschke-Langer hat die Nachricht vom Ende des VDC in Bankok erreicht. Dort feilt die Cheflobbyistin des Deutschen Krebsforschungszentrums gerade an Protokollen zu einem Anti-Qualm-Abkommen der Weltgesundheitsorganisation. Sie glaube überhaupt nicht, dass die Tabakindustrie jetzt weniger schlagkräftig sei, ruft sie ins Telefon. Da sie in Thailand gerade vor einem Schlangentempel sitzt, fällt ihr wieder einer dieser Sätze ein, mit denen sie die Tabakleute in den letzten Jahren genervt hat. „Die Schlange häutet sich. Aber sie bleibt die Schlange.“