Betteln um neue Beulen

Felix Sturm rettet beim WM-Fight gegen Randy Griffin mit einem Remis seinen Titel. Doch der Leverkusener stimmt sofort nach dem Mittelgewichtsduell einer zweiten Auflage des Kampfes zu

AUS HALLE/WESTF. BERTRAM JOB

Felix Sturm erlebt seine Auftritte im Ring offenbar nur in zweiter Linie aus der Perspektive eines Berufsboxers. Zuvorderst ist er ein begeisterter Anhänger des Kampfsports, der in der ersten Sitzreihe mitfiebert. Das Remis nach knüppelharten zwölf Durchgängen im WM-Kampf gegen den amerikanischen Herausforderer Randy Griffin war gerade erst verkündet, als der Titelträger noch im Ring um neue Beulen bettelte. So ein großartiger Kampf verlange einfach eine zweite Auflage, sprudelte es aus ihm heraus, „das brauche ich auch für mich selber“.

Nüchtern betrachtet sah es zwar so aus, als brauche der 28-jährige Leverkusener nach dem dritten Substanzkampf binnen sechs Monaten vor allem eine längere Pause. Doch statt Analyse war in dieser bewegten Samstagnacht im westfälischen Halle erst mal Emphase angesagt. Da strahlte der Titelträger der World Boxing Association (WBA) unter der schwer gezeichneten Augenpartie vor lauter Glück, „dass es solche Kämpfe überhaupt gibt“. Auch sein 31-jähriger Herausforderer aus Kentucky schwärmte von einem „großen Kampf“ für das Ansehen des Mittelgewichts und gab sich „nicht enttäuscht – auch wenn ich dachte, dass ich gewonnen habe“.

Sieger und Verlierer waren im Ring aber tatsächlich nicht so leicht auszumachen. Die 31. Prüfung in Sturms Profikarriere war von der ersten bis zur letzten Sekunde „eine heiße Kiste“, wie sein Trainer Michael Timm zu Recht befand. Und es bedurfte schon einer besonderen Willensleistung durch den Titelträger, nach dem Verlust der ersten drei Runden am Ende noch eben genug von der Gunst der Punktrichter zu erhalten. Einer hatte Sturm (115:114), einer Griffin (117:114) in Führung, während ihr puerto-ricanischer Kollege auf eine Punkteteilung (114:114) kam. Ein fulminanter wie knapper Vergleich.

Randy Griffin war gar nicht der konventionelle Schläger aus dem großen Fundus von Promoterzar Don King, der auf ominöse Weise die Ranglisten der Weltverbände hochklettert. Der so genannte Gentleman gab unter der Woche den netten Gast aus Amerika, um sich pünktlich zum ersten Gong in das von ihm selbst angedrohte „Biest“ zu verwandeln. Zwölf Runden lang setzte die Nummer 1 der Rangliste den deutschen Champion mit seinem variablen Schlagrepertoire unter Druck und landete an dessen Doppeldeckung vorbei empfindliche Treffer. So erlangte er über weite Strecken optische Überlegenheit, ohne seinen Gegner entscheidend durchschütteln zu können. Umgekehrt konnte Sturm seinem variablen Gegenpart zwar Paroli bieten, aber in keiner Phase wirklich dominieren. Statt der größeren Beweglichkeit, die Trainer Timm noch vor Tagen gelobt hatte, blieb der Stilist in der Defensive seltsam statisch und setzte weniger als sonst seine flinken Beine ein. So geriet Sturm in manch prekäre Situation, die im Prinzip vermeidbar gewesen wäre. „Vielleicht hätte Felix heute nicht dreihundert, sondern fünfhundert Jabs gebraucht“, mutmaßte Timm.

Optimal war diese Vorstellung tatsächlich nicht, wie selbst Promoter Klaus-Peter Kohl einräumte: „Das hat Felix schon viel besser gezeigt.“ Kohl, der gewiefte Impresario, ließ sich von seinen amerikanischen Gästen vor den Journalisten zu dem Versprechen hinreißen, das Match neu anzusetzen: „Es gibt Kämpfe, die schreien nach einem Rematch.“ Sollte den Entscheidern des amerikanischen Bezahlkanals HBO jedoch ein Tape des aktionsgeladenen Mittelgewichtsduells in die Hände fallen, dürfte der Ort für den zweiten Termin eher in New York oder Las Vegas als im Westfälischen liegen. Dort wäre damit deutlich mehr Geld zu generieren als irgendwo sonst – und worum sonst ginge es bei diesem Showsport in letzter Konsequenz?

Einstweilen aber kann Felix Sturm den künftigen Aussichten gelassen entgegensehen. Er war beim bisher besten Kampf des Jahres in deutschen Arenen gerade in einer der beiden Hauptrollen zu sehen. Und wenn es tatsächlich über den Ozean geht, wird er den aufgeregten Fan aus der ersten Reihe in ihm mitnehmen. Anders geht das bei ihm eben nicht.