Rock it to the bang bang boogie the beat

Auftakt einer Partyreihe. Im Bohannon wird ab heute einmal im Monat ein Jahr in der Geschichte des Rap gefeiert. Mit 1979 geht es los

1979 war die Hiphop-Welt noch in Ordnung. 1979 war die Hiphop-Welt noch in der Bronx, in Harlem und Brooklyn zuhause, war noch nicht in den Galerien und Clubs von Downtown angekommen, noch nicht in den Werbespots und erst recht nicht auf einem Fernsehsender, der ausschließlich Musikvideos spielt. 1979 war das Jahr, als die Sugarhill Gang mit „Rappers Delight“ die erste Rap-Platte überhaupt veröffentlichte, als die Godfather DJs – die Paten der Kultur – Afrika Bambaataa, Kool DJ Herc und Grandmaster Flash noch Strom von Laternen abzapften, um Energie für ihre Soundsystems auf den Blockparties zu haben. Die Kultur war jung und unschuldig und kurz davor, ihren Siegeszug um die Welt anzutreten.

Seither hat Hiphop eine weite Reise hinter sich. Grund genug also, einmal Bilanz zu ziehen und zu gucken, was da so alles zwischen Melle Mel und Puff Daddy auf Vinyl gepresst wurde. Diese Aufgabe haben sich Karin Offenwanger von der Bookingagentur Subotage und die Berliner DJs Deejoe, Marc Hype, DJ Scientist sowie Huzr aus Zürich gestellt. Sie spielen jeden zweiten Donnerstag des Monats im Bohannon die Rapjahre durch – also die Veröffentlichungen eines Jahres pro Abend. Angefangen wird mit 1979. Hören wird man unter anderem „Superappin’“ von Grandmaster Flash & The Furious Five, Eddie Chebas „Lookin’ Good“ oder The Sequences „Funk You Up“.

„Die Idee kommt von Freunden aus Zürich,“ erzählt Offenwanger. „Die haben da einen Plattenladen und hatten wahrscheinlich irgendwann mal nichts Besseres zu tun, als zu recherchieren, wann die ganzen Platten rauskamen. Und dann haben sie die Idee zur Raphistory-Party gehabt. Nun, wo sie in Zürich schon zum Jahr 2003 fortgeschritten sind, haben sie Panik gekriegt: Was machen wir bloß jetzt? Ah, in Berlin, da kennen wir doch ein paar Leute! Das wär doch mal was für die.“

Die Party ist eine lebende Enzyklopädie, irgendwo zwischen Seminar und Club. Mit dem Beamer werden Titel und Interpret des laufenden Songs an die Wand projiziert, und die DJs haben zu jeder Veranstaltung eine CD gemixt, die zusammen mit einem Booklet verkauft wird. Interviews und Texte, ein Abriss der Geschichte des Jahres und die vollständigen Veröffentlichungslisten – das ist Grundlagenforschung tanzbar präsentiert. „Auch da haben wir das Glück, dass wir die Geschichte aus Zürich übernehmen. Es ist also zum großen Teil schon alles fertig“, sagt Offenwanger.

Nicht von ungefähr kennt Karin Offenwanger die Züricher von der Raphistory-Party: Seit zehn Jahren betreibt sie im Alleingang die Bookingagentur Subotage und schickt vornehmlich US-Rapper auf Tourneen durch ganz Europa. „Ich schicke hauptsächlich Hiphop-Künstler aus Amerika auf Tour, die irgendwo zwischen Klein- und Major Label stehen, also meistens independent sind; manchmal solche, die früher mal größer waren, aber heute nicht mehr so wirklich. Der Hauptfokus liegt auf Hiphop, der einen musikalischen Anspruch hat oder einen inhaltlichen – der auf irgendeine Art und Weise was bedeutet und auch mir dadurch was bedeutet.“ Offenwanger geht es darum, Künstlern eine Chance zu geben, von denen sie denkt, dass sie in irgendeiner Weise wertvoll oder „echt“ sind. Ihr liegt auch daran, den Dialog zwischen Publikum und verschiedenen Künstlern zu fördern. „Mittlerweile mach ich auch nicht nur Hiphop, sondern auch mal eine Funkband oder Soul oder mal einen elektronischen Liveact – Musik, die spannend ist.“

Die Krise der Musikindustrie, die vornehmlich eine der Phonoindustrie ist, trifft den Livebereich nicht im gleichen Ausmaß. Aber auch hier hat sich durch die Digitalisierung der Musik einiges verändert. Spätestens seitdem man über Portale und Netzwerke wie Myspace quasi jeden Künstler selbst kontaktieren kann, organisieren immer mehr Fans ihre eigenen kleinen Konzerte, fliegen Künstler ein und fischen im Teich der Agenturen. Durch das Überangebot an Musik im Internet ist es aber auch für die Künstler selbst schwieriger geworden, bekannt zu werden, herauszustechen und somit die Hallen zu füllen.

„Es läuft bei mir, weil ich es alleine mache und weil ich einen relativ bescheidenen Lebensstil habe“, erzählt Offenwanger. „Und weil ich zäh bin, weiß, wie’s geht, und dabei bleibe. Weil es musikalisch einfach das ist, was ich gerne machen will. Ich hab dadurch eine Nische.“ Idealismus und Realismus müssen sich nicht ausschließen, sagt die 33-Jährige und lacht. Und irgendwie lässt dieser Spruch sich ja auch auf die nun bald dreißigjährige Geschichte von Hiphop ummünzen. Rock on! JAN KAGE

Raphistory: heute, 22.30 Uhr im Bohannon, Dircksenstr. 40, Mitte