Keine Satire ohne Risiko

SYMPOSIUM Klaus Staeck lud in die Akademie der Künste ein, um über die Lage der Satire zu sprechen, zwölf Wochen nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“

Ob die Schere im Kopf klappere, wollte Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, von seinen Gesprächspartnern wissen – zwölf Wochen nach dem Attentat in Paris auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo. Zu der Diskussionsrunde „Nicht einknicken! 12 Wochen nach Charlie Hebdo“, die Staeck von seiner persönlichen Referentin Bettina Huber stichwortgebend moderieren ließ, waren die KarikaturistInnen Katharina Greve (Titanic), Til Mette (Stern) und Klaus Stuttmann (Tagesspiegel, taz) geladen, aber auch Aiman A. Mayzek, Präsident des Zentralrats der Muslime in Deutschland, und Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Dass die rund 140 ZuschauerInnen in der Akademie am Hanseatenweg mit Selbstironie gewappnet waren, zeigte der erste große Kollektivlacher: Das Publikum sehe ja ganz friedlich aus, meinte Staeck. Obwohl natürlich viele ältere Menschen da seien, die nicht mehr viel zu verlieren hätten. Da könne man nicht wissen, was die in ihren Taschen versteckten. Heiterkeit, Applaus.

Religiöse Analphabeten

Mayzek vom Zentralrat der Muslime nannte die Attentäter von Paris „religiöse Analphabeten“. Gläubige Muslime müssten sich gegen die Attentate „positionieren“, wie bei der Mahnwache am Brandenburger Tor wenige Tage nach dem Anschlag geschehen. Das sei allerdings kein „Distanzieren“ gewesen, da man ja von vornherein keine Nähe zu solchen Leuten gehabt habe.

Krüger von der Bundeszentrale, der sich beim Panel den größten Schlagabtausch mit Mayzek lieferte, hakte gleich ein: Immerhin beriefen sich Attentäter doch auf die islamische Religion. Krüger forderte aber auch eine Selbstkritik des Westens, der zynischerweise ein „Riesenbusiness“ aus den Attentaten gemacht habe, bis hin zu „Jesus is Charlie“-T-Shirts auf Ebay.

Er habe Spaß an Blasphemie, sagte Stern-Karikaturist Mette, obgleich es niemals seine Intention sei zu beleidigen. Auch Stuttmann sprach in diesem Sinn: „Wenn sich jemand beleidigt fühlt, soll er mich verklagen!“ Er fühle sich nicht dazu berufen, im vorhinein auf Empfindungen zu achten. Ebenso findet Titanic-Zeichnerin Greve es legitim, religiöse Gefühle zu beleidigen. Mayzek konterte dagegen: „Es gibt Tabus, und das ist gut so.“ Antisemitismus sei ein solches Tabu, warum nicht auch das Verletzen religiöser Gefühle? „Der Satiremarkt ist nicht global“, gestand Greve ein. Und auch Krüger gab zu bedenken, dass Großbritannien 2008 den Blasphemie-Paragrafen abgeschafft hat, während Österreich und Irland in Sachen Gotteslästerung strenger wurden.

„Eine der edelsten Aufgaben der Satire“ sei es jedenfalls, so Staeck, „die unverschuldet Schwachen gegen den Übermut der Starken“ zu schützen. Und überhaupt könne er sein eigenes Leben nur mit Ironie ertragen. Mayzek gefiel Staecks Definition der Satire offensichtlich so gut, dass er immer wieder betonte, Muslime gehörten eben nicht zu den Starken, sondern zu den Schwachen, die geschützt werden sollten. Selbst der islamische Fundamentalismus sei ein Ergebnis dieser Schwäche.

Ob es redaktionelle Leitlinien in Sachen Karikaturen gebe, wollte Moderatorin Huber von den KarikaturistInnen wissen. Bedroht fühle sie sich nicht, Selbstzensur wäre grundlos, sagte Greve: „Hauptsache, der Witz ist witzig.“ Man müsse auch Dummheit und schlechte Karikaturen ertragen. „In meiner Welt darf man Mohammed zeichnen, aber ich würde es schön finden“, so Greve „wenn die Leute wissen, wer das ist. Ich hatte bei vielen Zeichnern das Gefühl, dass sie nicht wissen, dass Mohammed nicht die Personifizierung Allahs ist. Das ist auch nicht Jesus – das ist einfach ein anderer Job!“ Großes Gelächter im Saal.

Es gibt keine Vorgaben

Mette findet schon die Vorstellung „geradezu lächerlich“, dass ein Redakteur anrufen würde, weil es Probleme mit seinen Karikaturen gäbe: „Das Gespräch würde ich aufnehmen.“ Es gebe durchaus „Befindlichkeiten“ beim Stern, aber die drücke man „feiner“ aus: „Hm, sag mal, wir haben da, ach, Mann ey. Den Witz hab ich nicht verstanden!“ Beim Tagesspiegel gebe es keine Vorgaben, so Stuttmann: „Ich rede mit denen aber auch kaum. Ich gebe meine Zeichnungen zwei Minuten vor Redaktionsschluss ab. Da können die nichts machen.“ Er wolle aber keineswegs Religion kritisieren, sondern nur deren Missbrauch – bei der katholischen Kirche genauso wie beim Islam: Selbstmordattentäter, IS. „Kein Kollege in Deutschland zeichnet gegen den Islam. Das kommt in Frankreich vor, aber hier ist das kein Thema.“ Seit er 2006 einmal eine Woche wegen Morddrohungen aufgrund einer Karikatur abtauchen musste und die deutsche Botschaft in Teheran angegriffen wurde, frage er sich allerdings: „Kann das jemand missverstehen?“

Satire ohne Risiko gebe es halt nicht, resümierte Staeck. Und er sei froh, dass auch Herr Mayzek gekommen sei: „Wir haben Sie bewusst eingeladen“, so Staeck gönnerhaft. Er selbst wisse ja nicht viel über den Islam: „Ich habe nicht mal Freunde aus diesem Bereich.“ Das ist dann, so unerwartet heiter und erwartbar konsensuell die ganze Herrenrunden-Diskussion hinplätscherte, zumindest eine ganz bescheidene Erkenntnis, die zu denken geben könnte.

STEFAN HOCHGESAND