Kein Stuss: Schluß mit Schluss

Hamburger Verwaltungsgericht entscheidet gegen Rechtschreibreform. Zehnjährige darf nach den alten Regeln schreiben  ■ Von Heike Haarhoff

Mit Schluss ist Schluß: Im Streit um die Rechtschreibreform erlitt gestern die Schulbehörde eine Schlappe: Das Verwaltungsgericht Hamburg untersagte der Behörde bis auf weiteres, eine zehnjährige Schülerin des Heilwig-Gymnasiums in Alsterdorf nach dem Reformwerk zu unterrichten.

Die Eltern der Fünftklässlerin hatten vor zwei Wochen gegen die Reform Klage eingelegt. Solange darüber nicht im Hauptsacheverfahren entschieden ist – was nach Angaben des Gerichts „mehrere Jahre dauern kann“– muß die Schülerin nach den alten Regeln unterrichtet werden. Die Schulbehörde kündigte Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht an.

Nach Ansicht der Verwaltungsrichter fehlt für eine „derart weitreichende gesellschaftspolitische Entscheidung“wie der Rechtschreibreform die gesetzliche Grundlage. Diese müsse „vom Parlament selbst getroffen werden“und nicht von der Verwaltung. Das Gericht folgte damit den Eltern der Zehnjährigen, die durch die neue Rechtschreibung ihr Erziehungsrecht sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes verletzt sehen.

Der Beschluß gilt aber ausdrücklich nicht für alle Hamburger SchülerInnen. „Das ist das Mißliche“, bedauerte der Anwalt der Eltern, Dieter Eckstorff. Denn um das Mädchen im Klassenverband „nicht zu diskriminieren“, müsse jetzt bis zur endgültigen Entscheidung „ein Kompromiß“her. Der könnte wie in Niedersachsen aussehen: In einer Oldenburger Klasse etwa wird sowohl die alte als auch die neue Schreibweise gelehrt.

Diese Regelung aber hält der schulpolitische Sprecher der GAL, Kurt Edler, für „pädagogisch unsinnig“: „Zwei Regeln gleichzeitig lernen, das hält keiner aus.“Nach Auskunft mehrerer Grundschulen ist diese Lehrweise jedoch bereits jetzt üblich.

„Die Schülerin wird nicht während der Deutschstunde den Raum verlassen oder Privatunterricht bekommen“, steht für den Schulleiter des Heilwig-Gymnasiums, Helmut Paulsen, fest. Es werde Gespräche mit Lehrern, Behörde und Eltern geben.

Im Tauziehen um die Rechtschreibreform haben bislang fünf deutsche Verwaltungsgerichte gegen und vier für die Reform entschieden. Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) forderte gestern eine „rasche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“, um die „Rechtsunsicherheit“zu beseitigen. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft plädierte für einen Rechtschreibe-Staatsvertrag. Die schulpolitischen Sprecher von GAL und CDU wollen eine Entscheidung der Parlamente.

Seit Schuljahresbeginn lernen Hamburgs SchülerInnen der ersten und fünften Klassen die neuen Regeln. Über eine weitere Klage des Vaters einer siebenjährigen Privatschülerin entscheidet das Gericht in den nächsten Tagen.