: Landesthemen unerheblich
■ CDU-Wahlkampfberater Peter Radunski hält die Unzufriedenheit mit der Bundespolitik für ausschlaggebend und erteilt der PDS eine Absage: „Don Camillo und Peppone ist nicht drin“
taz: Vier Wochen vor der Wahl wusste nur jeder zweite Berliner, dass am 10. Oktober gewählt wird. Überschätzen die Berliner Politiker das Interesse an der Landespolitik?
Peter Radunski: Landesspezifische Themen spielen immer eine untergeordnete Rolle. Das war bei den fast 100 Landtagswahlkämpfen, an denen ich als CDU-Bundesgeschäftsführer teilgenommen habe, nicht anders.
CDU und SPD können sich also durch den Streit im Senat – beispielsweise um den Landeshaushalt – gar keine Vorteile verschaffen?
Der Haushalt ist eine Ausnahme, weil er in die bundespolitische Diskussion um Eichels Sparpaket eingeordnet werden kann.
Wo sehen Sie die wahlentscheidenden Themen?
Bei dieser Wahl spielt sicher die Unzufriedenheit mit der Politik der Bundesregierung die Hauptrolle. Ein weiteres Thema ist die Figur des Landesvaters Eberhard Diepgen. Das ist ebenfalls sehr positiv für die CDU. Das dritte Thema ist die Frage nach der politischen Konstellation. Die SPD wollte Rot-Grün – da stellt sich die Frage: Machen sie es notfalls auch mit der PDS? Aber dass man diese Koalition nicht haben will, ist weitgehend entschieden.
Dennoch machen Sie das Thema PDS zum Wahlkampfthema. Ist das nicht unlauter?
Wir alle wissen, dass das Verhältnis zur PDS hier anders ist als etwa in Mecklenburg-Vorpommern. Aber wir mussten dazu eine öffentliche Aussage der SPD erzwingen. Schließlich hat sich Momper schon 1989 über seine Koalitionsaussage hinweggesetzt. Aber in der Schlussphase des Wahlkampfs ist das nicht mehr unser Schwerpunkt.
Kommt Ihnen der Koalitionspartner abhanden, wenn die SPD zu schlecht abschneidet?
Es gibt ja auch Koalitionen, bei denen nicht zwei große Partner zusammengehen.
Eine Koalition mit einer geschrumpften SPD wäre also nicht mehr „groß“?
Das wollte ich damit gesagt haben. Wenn beide Parteien zusammen 60 Prozent haben, ist das ja nicht so riesig. Aber die SPD wird sicher die Ambition haben, in Berlin wieder eine große Partei zu werden. Das kann sie nur in der Regierung erreichen, nicht aber in der Konkurrenz zu zwei anderen, sehr professionellen Oppositionsparteien – den Grünen und der PDS.
Entscheidet sich die SPD trotzdem für die Opposition, müssten Sie eine Minderheitsregierung bilden.
Die Frage ist, wie lange man überhaupt mit einer Minderheitsregierung leben könnte – oder ob man dann noch einmal wählt und die CDU damit in ungewöhnliche Höhen treibt, weil die Wähler eine Entscheidung haben wollen. Die Wähler erwarten von den Parteien, dass sie mit einem gegebenen Wahlergebnis umgehen.
Glauben Sie an eine absolute Mehrheit für die CDU?
Nein. Das ist in Berlin nicht möglich, weil wir ein stabiles Vierparteiensystem haben.
Halten Sie es langfristig für möglich, dass die CDU mit den Grünen oder gar der PDS koaliert?
Bei der PDS sehe ich keine Möglichkeit. Wir sind ja alle durch die Berliner Mauer in die Politik gekommen. Don Camillo und Peppone ist bei uns nicht drin. Auch mit den Grünen können wir in Berlin kein Einvernehmen erzielen, etwa beim Thema Innere Sicherheit – obwohl ich auf Bundesebene auch schon für Schwarz-Grün plädiert habe.
Die Wahlbeteiligung wird wahrscheinlich sehr niedrig ausfallen. Woran liegt das?
Deshalb zielt der Wahlkampf fast nur auf die Mobilisierung eigener Anhänger. Prototypisch ist der SPD-Slogan: „Wir kämpfen.“ Das ist nur noch eine reine Stammwählerkampagne: Geht bloß hin! Aber bei der CDU ist es ähnlich. Wir sagen: Glaubt bloß nicht, es sei schon alles gelaufen!
Die CDU polemisiert gegen die Sparpolitik der SPD im Bund wie in Berlin. Diesen Widerstand wird sie nach den Wahlen nicht aufrechterhalten können. Beschädigt diese Strategie die Glaubwürdigkeit von Politik?
Eine Oppositionspartei versucht immer, die Notwendigkeit des Sparens zu verneinen. Niemand will sich aus der Annehmlichkeit herausreißen lassen. Das hat im Bund die SPD an die Macht gebracht und die CDU in die Opposition. Aber der Tag wird kommen, an dem wir alle von der Erkenntnis ausgehen: Wir müssen uns anstrengen. Der Sozialstaat, so wie er ist, ist schwer finanzierbar. Das ist nicht zu leugnen.
Interview: Ralph Bollmann
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