: Cocom-Liste wird in Paris durchgeforstet
■ Insbesondere die Bundesregierung, aber auch die US-Industrie wollen Handelsvereinfachung / Hoffnung auf Flugzeugexporte
Das „Coordinating Committee on East-West Trade“, besser bekannt unter dem Namen „Cocom“ tagt gestern und heute in Paris, um über die Neuformulierung ihrer „Liste“ zu debattieren.
Die vielzitierte „Cocom-Liste“ enthält Produkte, die aus den Cocom-Mitgliedsländern nicht in die Staaten des Warschauer Paktes geliefert werden dürfen, weil sie möglicherweise Geheimnisse der westlichen Rüstungstechnologie offenbaren könnten.
Cocom-Mitglieder sind alle NATO-Staaten plus Japan aber mit Ausnahme Islands. Bei Verstößen gegen die Cocom-Bestimmungen sind bisweilen auch Haftstrafen angeordnet worden. Wie am Dienstag in Paris verlautete, sind so vor einigen Tagen mehrere französische Geschäftsleute festgenommen worden. Sie sollen eine fiktive Gesellschaft für die Ausfuhr elektronischen Materials in Ostblockstaaten gegründet haben.
Insbesondere die bundesdeutsche Seite drängte in den vergangenen Wochen darauf, die Liste zu durchforsten, um den Ost-West- Handel nicht an unnötigen Stellen zu erschweren. In diesem Sinne hatte sich Bundesaußenminister Genscher bei seinem jüngsten Besuch in Washington geäußert, nachdem sein sowjetischer Amtskollege Schewardnadse in Bonn über „diese verfluchte Cocom-Liste“ geschimpft hatte. Natürlich wird die Cocom-Liste nicht „gestrafft“, weil sich ein sowjetischer Minister über sie beklagt hatte.
Die Liste ist stets auch ein Instrument gewesen, mit dem westliche Industrieländer sich gegenseitig Handelsvorteile ergattern wollten. Insbesondere die US-Regierung hatte mehrfach versucht, das Exportstandbein Osthandel der EG-Industrie (insbesondere der bundesdeutschen) zu unterminieren. Bekanntestes Beispiel ist das Verbot Washingtons für US- Firmen und auch ihre europäischen Tochterunternehmen, sich am Bau der Erdgaspipeline von Sibirien nach Westeuropa zu beteiligen. Der Versuch, das Geschäft zu Fall zubringen, scheiterte jedoch seinerzeit. Das Bonner Forschungsministerium kam daraufhin 1984 in einer umfangreichen Studie zu dem Ergebnis, daß es in den USA Kreise gebe, die mithilfe der Technologieexport-Beschränkungen auch den Zugang von westlichen Ländern zu US-High- Tech erschweren wollen. Der Hintergrund dafür sei „im Kontext einer wieder aufgelebten Betonung der natonalen Eigenständigkeit“ der USA zu sehen.
Aus der Sicht der USA hat sich auch deshalb in letzter Zeit die Motivation in Sachen Cocom verändert, weil die UdSSR mehr und mehr Zugang zu westlicher Technologie durch Nicht-Cocom- Staaten (etwa durch Schwellenländer) erhält und somit die US-Exportindustrie künstlich benachteiligt wird. Auch hofft jetzt beispielsweise der US-Konzern Boeing, zwei Flugzeuge vom Typ 767 in Polen abzusetzen. Das Ostgeschäft könnte derweil insgesamt für Boeing, Airbus und andere Flugzeughersteller interessant werden. Mehrere Länder des Warschauer Paktes haben in den letzten Wochen signalisiert, die sowjetischen Flugzeugprodukte durch die technisch ausgereifteren und sparsameren westlichen Modelle teilweise ersetzen zu wollen. In diesem Zusammenhang wird auch von der „Interflug“ der DDR und auch von der sowjetischen „Aeroflot“ selbst gesprochen.
Nicht zuletzt dürften die westlichen Banken ein Interesse daran haben, daß die Möglichkeiten, die im Ausbau des Osthandels stecken, auch genutzt werden können, wo nun einmal in den verschuldeten Dritte-Welt-Ländern die Geschäfte nicht mehr so laufen wie einst. Immerhin hatte die sowjetische Wirtschaftsführung jüngst mehrfach die Bereitschaft angedeutet, in der Zusammenarbeit mit dem Westen einen kreditfinanzierten Industrialisierungskurs einschlagen zu wollen.
Im übrigen paßt die flächendeckende Technologieexport-Beschränkung auch nicht ins Zeitalter der „Joint-Ventures“ in der UdSSR und anderen Ostblockstaaten, der Gemeinschaftsunternehmen westlicher und östlicher Partnerbetriebe. –ulk-
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