: Wird Genscher Nebenaußenminister?
■ Bundeskanzler Kohl schwieg am Wochenende zum Streit um die Einmischung von CSU-Chef Strauß in die Afrika-Politik der Regierung / Strauß: Auftritt in Namibia auch im Auftrag Kohls – dem widerspricht der Regierungssprecher / FDP: Eine Belastung der Koalition
Berlin (taz) – In der Bonner Koalition ist ein Streit darüber entbrannt, ob sich Bundeskanzler Kohl außer seinem Außenminister für die Afrika-Politik einen Nebenaußenminster halten darf. Nach seiner Rückkehr aus dem südlichen Afrika verteidigte CSU-Chef Strauß am Wochenende seine nicht nur in der FDP heftig umstrittene Einmischung in Genschers Amtsführung. Seine Kritiker aus den Reihen der FDP gehörten nicht zur Koalition sondern zur Opposition, schimpfte der Bayer. „Die Strauß-Reise nach Südafrika wird mehr und mehr zu einer Belastung für die Koalition“, drohte dagegen FDP-Generalsekretär Haussmann am Wochenende. Es müsse eine Aussprache auf breitester Front stattfinden. Die FDP erwarte im Kabinett eine Klarstellung, daß es einen Nebenaußenminister Strauß nicht geben dürfe, unterstrich Haussmann. Auch Aufträge des Bundeskanzlers an Nicht-Kabinettsmitglieder ohne Abstimmung mit dem Koalitionspartner dürfe es künftig nicht mehr geben. Bundeskanzler Kohl äußerte sich bis zum Sonntag abend nicht öffentlich zu der Frage, wer die Afrika-Politik seiner Regierung gestalten soll. SPD-Chef Vogel sagte, die 10-tägige Strauß- Reise habe dem Ansehen der Bundesrepublik schweren Schaden zufügt.
4 Strauß war im Auftrag Kohls aber unter Umgehung des Auswärtigen Amts nach Südafrika, Mosambik und Namibia geflogen. Strittig ist nun, ob Kohl auch die von Strauß als privat bezeichneten Abstecher in das Homeland Bophuthatswana und das von Südafrika besetzte Namibia befürwortete. Während Strauß behauptete, die Reise nach Windhuk sei mit Kohl „ausdrück lich vereinbart“ worden, erklärte Regierungssprecher Ost am Freitag, es habe zwischen Kohl und Strauß lediglich eine Absprache für Besuche in Südafrika und Mosambik gegeben.
Genscher warf Strauß auf einer FDP-Veranstaltung in der Krefelder Burg Linn vor, mit seinem Besuch die durch Kabinettsbeschlüsse 1983 und 1986 festgelegte Afrika-Politik der Bundesregierung verletzt zu haben. Die Regierung hatte im April 1986 die UNO-Resolution 435 bestätigt, nach der die Erklärung des Apartheid-Regi mes zur Einsetzung einer Interimsregierung null und nichtig sei. Für Strauß ist die Resolution allerdings veraltet. Er forderte während seines Besuches Entwicklungshilfe für das von Südafrika kontrollierte Land. Genscher unterstrich bei der Veranstaltung, daß die Apartheid nicht reformierbar sei.
Nach seiner Rückkehr aus Südafrika erklärte Strauß, er sei sich zwar mit Außenminister Genscher im Ziel einig, halte aber dessen Politik für falsch. Eine „glatte Lüge“ nannte er die Anschuldigung, er habe sich nicht für die Menschenrechte eingesetzt. 14 Verhaftete würden innerhalb einer Woche auf freien Fuß gesetzt, 99 sollen bereits vor einer Woche freigelassen worden sein.
Das Apartheid-Regime soll noch immer mehr als 2.000 Menschen ohne Gerichtsverfahren in Haft halten. Die bayerische SPD nannte den Verkauf von zwei Airbus-Flugzeugen an Südafrika im Werte von 340 Millionen DM den „Preis“ für den „Verkauf von Menschenrechten“.
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