: Revolutionäre Haute Couture
Warum die franzöischen Kommunisten ihrer Zeit voraus sind ■ Aus Paris Beate Seel
Wahrlich, die Kommunistische Partei Frankreichs könnte zurecht den Titel einer Avantgarde-Partei für sich beanspruchen. Um genau 306 Tage ist die KP dem Zeitgeschehen voraus. Denn das diesjährige Pressefest im Pariser Arbeitervorort La Courneuve steht unter dem Motto des 200. Jahrestags der französischen Revolution, der von den rückständigeren Teilen der Gesellschaft erst am 14.Juli 1989 gefeiert wird.
Rote Kappen der Sans-Culotten mit angehefteter Tricolore für die Männer und weiße Hauben für die Frauen zieren in diesem Jahren die Köpfe der BesucherInnen. Doch es ist nicht nur die revolutionäre Mode des Jahres 1789, die die KP in diesem Jahr auf dem Parkgelände vorführt. Zum Auftakt gab es am Freitagabend „erstmals in der Geschichte der Mode“ - so das Parteiblatt 'L'Humanite‘ - ein Defilee der Mannequins von Yves Saint Laurent vor den Augen der Volksmassen. Begründung: Die Mode ist Teil der Kultur und die Kultur muß den Massen nahegebracht werden. Nicht zu vergessen sind schließlich auch die „anonymen kleinen Hände“ der Arbeiterinnen, die für unwürdige Löhne ihren Teil an der Entwickung der franzöwischen Luxus-Kultur beigetragen haben. „Versäumen Sie nicht diese vierzig Minuten der Gnade“, appellierte 'L‘ Humanite‘ an seine LeserInnen, und wer sich erstaunt die Augen rieb, wurde dahingehend belehrt, daß Yves Saint Laurent auf einer Stufe mit Pablo Picasso steht. Angesichts solcher Neuerungen kann man großzügig über den eher traditionellen Teil der Veranstaltung mit Ständen der Parteisektionen und Bruderparteien aus aller Welt hinwegsehen.
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