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Rakowski - böse Überraschung

■ Aleksander Pazsynski, früherer Mitarbeiter Mieczyslaw Rakowskis in der "Polityka" und heute Gründer der oppositionellen "Wirtschaftlichen Gesellschaft" über den neuen polnischen Regierungschef

Daß man ausgerechnet Mieczyslaw Rakowski die Bildung einer neuen Regierung anvertraut hat, war für die polnische öffentliche Meinung eine unangenehme Überraschung. Wenn man davon ausgeht, daß das Hauptproblem des Landes die Wirtschaftskrise ist, so muß konstatiert werden, daß Rakowski auf diesem Gebiet ein Ignorant ist. Aber selbst wenn die Politik unser Hauptproblem ist, hat Rakowski nichts zu melden. „Nur dem Westen kann der ehemalige Chefredakteur der Parteizeitung 'Polityka‘ als Liberaler erscheinen, in Polen selbst gilt er als Symbolfigur des Kampfes“, und gerade nicht der Verständigung. Hier erinnert man sich vor allem an seine Verachtung für Walesa, seinen öffentlich geäußerten Unwillen gegenüber oppositionell eingestellten Intellektuellen und seinen ostentativen Antiklerikalismus.

Ebenso überraschend war der Moment des Regierungswechsels. Wenn man nämlich die offiziellen Erklärungen ernst nimmt, man sei bereit zu einer Verständigung am „runden Tisch“, so hatte man eher erwartet, daß Messner - trotz der Kritik an ihm - noch einige Zeit das Steuer in der Hand behalten würde, damit anschließend die Regierung auf um so breiterer Basis würde umgebildet werden können. Schließlich hatte der gleiche Sejm, der jetzt Messners Demission angenommen hat, diesem noch vor einem Monat das Vertrauen ausgesprochen. Noch während des 8.ZK-Plenums Ende Juli hatte die Mehrzahl der Diskutanten erklärt, man könne nicht allein die Regierung für alle Sünden verantwortlich machen, schließlich habe sie ja nur die Direktiven der Parteiführung ausgeführt.

Woher also dieser plötzliche Umschwung? Es scheint, als habe ihn der Parteiapparat erzwungen, unruhig geworden durch die immer schlechter werdende Stimmung im Lande, aus Angst vor einem neuen Ausbruch gesellschaftlicher Unzufriedenheit. Natürlich ist der Apparat nicht bereit sonderlich weit nachzugeben, und noch weniger ist er psychisch darauf vorbereitet, Walesa als Gesprächspartner zu akzeptieren. Also hat er beschlossen, die Regierung zu opfern. Und obwohl er zu Rakowski kein sonderliches Vertrauen hat, ging man wohl davon aus, daß nur Rakowski die nötige Beweglichkeit besitzt, die Partei vor einer Kapitulation zu bewahren. Damit erscheint Rakowski als Alternative zu wirklichen Gesprächen mit der Opposition. Für diese ist Rakowski unannehmbar. Es kann sein, daß einige der potentiellen Gesprächspartner von Innenminister Kiszczak wegen Rakowski nicht am „runden Tisch“ Platz nehmen werden. Dann werden wir Zeugen eines reinen Täuschungsmanövers. Dann wird es scheinbar eine neue Regierung geben, scheinbar werden einige Verhandlungen stattfinden und scheinbar ein paar Reformen beschleunigt. All das aber nur in einem solchen Maße, daß alles besonders die Machtausübung - beim alten bleibt. Die Tatsache, daß Rakowski im Westen immer noch Symbol kommunistischer Liberalität ist, wird als propagandistischer Trumpf für wirtschaftliche Konzessionen ausgenutzt werden, und Rakowskis Postition sicher stärken. Die Regierung schließlich glaubt ja, daß neue Kredite in Verbindung mit einer Wirtschaftsreform es leichter machen, die Regale der Läden zu füllen. Und das kann auf die Stimmung der Bevölkerung ja durchaus beruhigend wirken.

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