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Nipponhausse

 ■ M c C A S H F L O W

An der Börse in Tokio ist wieder mal der Teufel los: allein in den letzten sieben Börsentagen gewann der Nikkei-Index um 4 Prozent dazu und auch in den Wochen davor ging es etwas gemütlicher, aber straight nach oben. Am letzten Montag übersprang der japanische Index die Marke von 34.000 Punkten, und daß alsbald die 35.000 ins Haus stehen, daran zweifelt in Tokio kaum jemand - mußte doch in dieser Woche der Handel mit einigen Aktien vorübergehend ausgesetzt werden, weil die Nachfrage einfach zu groß war.

Der fernöstliche Aktienoptimismus müßte im Westen auf mehr Kopfschütteln denn je stoßen, erinnern wir uns: Schon Mitte der Achtziger, der Börsenzug fuhr weltweit Volldampf, wurde allenthalben vor der Überhitzung der japanischen Börse gewarnt und mit dem Hinweis auf die maßlose Überteuerung der Nippon-Aktien vor Engagements abgeraten.

Es gab kaum eine Börsenzeitung, die nicht angesichts der hohen Kurs-Gewinn-Verhältnisse japanischer Aktien die viel preiswerteren deutschen oder amerikanischen Aktien empfahl. Nach dem Crash im Oktober 1987 zeigte sich dann, wie wenig derlei scheinbar rationale und logische Argumente wert sind: Japanische Aktien waren weltweit die einzigen, an denen der Crash nahezu spurlos vorüberging. Schon wenige Wochen nach dem Debakel, das in Wall Street, London und Frankfurt für langwährende Lethargie sorgte und bis heute nicht verdaut ist, stürmte der Nikkei-Index neuen Höchstmarken zu. Der '87er Crash, der auf der Langzeit-Chart aller Börsenindizes als tiefer Knick auftaucht, ist im japanischen Kursbild kaum noch zu entdecken.

Die Zen-Kunst anhaltender Nachfrage hat die Börse in Tokio zu immer neuen „all time highs“ getrieben, die japanischen Uhren gehen ganz offensichtlich anders. Sicher ist nur, daß auch sie irgendwann stehen bleiben - aber wer weiß, ob sie nicht auch die nächste Börsen-Baisse überstehen.

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