piwik no script img

Freikonvertibler Boden in Ungarn

■ Gesetzesinitiative sieht Teilprivatisierung in der ungarischen Landwirtschaft vor

Budapest (dpa/ap/afp) - Der ungarische Landwirtschaftsminister Csaba Hütter hat am Donnerstag im Parlament eine Gesetzesinitiative eingebracht, die eine teilweise Privatisierung von Grund und Boden vorsieht. Die angestrebte Teilprivatisierung in der Landwirtschaft werde sich nicht auf Personen, die den Boden auch selbst bestellen wollen, beschränken, sondern auch Privatleuten „ohne Einschränkungen“ den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ermöglichen. Bereits am Dienstag hatte das Parlament eine Reihe von marktwirtschaftlichen Reformvorlagen verabschiedet. Unter anderem wird damit die Umwandlung von Staatsbetrieben in privatwirtschaftliche erleichtert.

Indes drängt es Ungarns Reformer in den Europarat. Als erstes sozialistisches Land will Budapest „rechtmäßiges Mitglied des Europäischen Hauses“ werden. Dies sagte am Mittwoch der ungarische Sportminister Gabor Deak anläßlich eines Treffens der Sportminister in der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Der Beitritt zum Europarat sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Mitgliedschaft in der EG.

Der führende Reformpolitiker der Ungarischen Kommunistischen Partei, Staatsminister Imre Pozsgay, sieht gute Chancen, daß seine Partei bei „wirklich freien Wahlen ohne Manipulationen“ zusammen mit der bestehenden sozialdemokratischen Partei die Mehrheit der Stimmen erhalten und die Regierungskoalition bilden könne. Staatsminister Pozsgay verteidigte die Entscheidung der reformbestimmenden Kräfte seiner Partei, zunächst politische Reformen einzuleiten und nicht „die marode Wirtschaft zu konsolidieren“.

Das ungarische Parlament hat am Donnerstag die Todesstrafe für „Verbrechen gegen den Staat“ abgeschafft. Justizminister Kulcsar begründete den Schritt mit den Worten, angesichts der Erinnerung an den 1958 hingerichteten ehemaligen Ministerpräsidenten Imre Nagy könne er es sich wohl ersparen, die Wichtigkeit dieses Schritts zu betonen. Nagy wurde unterdessen auch politisch rehabilitiert. Nagy habe dafür gekämpft, dem Stalinismus in Ungarn ein Ende zu machen. Sein Name sei Symbol für sozialistische Reformpolitik. Nagy sei nach einem Schauprozeß hingerichtet worden, und das Urteil habe geltendes Recht verletzt. Zur Trauerfeier für Nagy am 16. Juni werden 300.000 Menschen erwartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen